Gefängnisaufstand von IS-Häftlingen in Hesekê

Die Befürchtungen der nordostsyrischen Autonomie- und Sicherheitsbehörden haben sich bestätigt: Bei einem Aufstand im Gefängnis von Hesekê haben IS-Dschihadisten am Sonntagabend Teile der Haftanstalt unter ihre Kontrolle gebracht. Die Lage ist angespannt.

Immer wieder warnten die Autonomiebehörden und Sicherheitskräfte vergebens vor dem Bedrohungspotential durch IS-Mitglieder in den Gefängnissen Nord- und Ostsyriens. Nun haben sich die Befürchtungen bestätigt: Bei einem Aufstand im Gefängnis von Hesekê haben Dschihadisten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) am Sonntagabend Teile der Haftanstalt unter ihre Kontrolle gebracht. Einer bislang unbekannten Anzahl Islamisten gelang die Flucht. Die Lage ist angespannt.

Die Revolte begann gegen 19 Uhr Ortszeit. Häftlinge einer überbelegten Gemeinschaftszelle schwenkten im Blickfeld der Kamera zunächst ein Stück Stoff mit der Aufschrift „Wir fordern humanitäre Hilfe“. Der Appell richtete sich offenbar an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz. Danach brachen die Gefangenen eine Tür auf, nahmen diese auseinander und schlugen mit den Einzelteilen die marode Innenmauer ein. Durch diese Öffnung gelangten die Häftlinge auf den Korridor und anschließend in andere Teile der Haftanstalt. Inzwischen befindet sich das gesamte erste Geschoss unter IS-Kontrolle, einige der Dschihadisten haben sich im Hof verschanzt.

Versuche, die Sicherheitskräfte in ihre Gewalt zu bringen, gelangen nicht. Allerdings ist mehreren IS-Dschihadisten die Flucht geglückt. Einige Quellen sprechen von vier Islamisten, die sich in Freiheit befinden. Mustafa Bali, Pressesprecher der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD), nannte zwar keine Zahlen, bestätigte aber, dass nach mehreren Häftlingen gefahndet wird. Außerdem wurden Antiterroreinheiten und zusätzliche Kämpfer zu dem Gefängnis verlegt.

QSD: Gut organisierte Revolte

„Die Revolte war in jedem Fall gut organisiert“, sagte Rubar Hesen, QSD-Verantwortlicher für die Zusammenarbeit mit der internationalen Anti-IS-Koalition. Das Gefängnis befinde sich im Ausnahmezustand, wann ein Übergriff erfolgt, ist noch unklar. „Vermutlich greifen wir nach Sonnenaufgang an. Hier sind einfach zu viele Gefangene untergebracht als Aufnahmekapazitäten bestehen“, so Hesen.

Auch nach Mitternacht war die Lage noch nicht im Griff. Die QSD haben die Sicherheitsvorkehrungen um das Gefängnis herum erhöht, alle Zufahrtswege sind gesperrt. Die ganze Nacht über waren Flugzeuge der Koalition im Tiefflug über der Haftanstalt im Einsatz. Gegen 00.35 Uhr brannte es zudem im ersten Stock des Gebäudes.  

Gefangene in Hesekê - Der harte IS-Kern

Der Aufstand ist ein Hinweis darauf, dass sich die Situation in den Gefängnissen Nordostsyriens mit inhaftierten IS-Mitgliedern zuspitzen kann. Vor allem im Gefängnis von Hesekê mit etwa 4.000 Islamisten aus aller Welt, von denen die meisten beim finalen Sturm auf die letzte IS-Bastion Baghouz im vergangenen März gefangengenommen wurden. Der „harte Kern” also, der bis zuletzt in Deir ez-Zor ausharrte.

Das Gefängnis, in dem sie untergebracht sind, wurde nicht als Strafvollzugsanstalt erbaut. Es handelt sich um ein Gelände der Universität, das von der internationalen Anti-IS-Koalition notgedrungen zu einem Gefängnis umfunktioniert worden war, als sich Probleme mit der Unterbringung der IS-Gefangenen zuspitzten. Auch wenn die Sicherheitsvorkehrungen hoch sind, handelt es sich um ein marodes, teilweise baulich heruntergekommenes Gebäude, überbelegt und sanierungsbedürftig. Ideale Bedingungen für einen Ausbruch. Versuche hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Diese konnten von den QSD allerdings vereitelt werden.

Internationale Staatengemeinschaft ignoriert Warnungen

Nord- und Ostsyrien warnte immer wieder vor Problemen mit der Unterbringung von IS-Gefangenen und appellierte an die internationale Staatengemeinschaft, eine Lösung für ihre Bürger zu finden. Zuletzt erklärte die Autonomieverwaltung anlässlich des Jahrestags des militärischen Siegs über den IS: „In den Gefängnissen der Autonomieverwaltung warten Tausende IS-Mitglieder und ihre Angehörigen auf die Gelegenheit zur Flucht. Das würde eine Gefahr für die gesamte Menschheit bedeuten. Der IS will sich mit seinen geflüchteten Mitgliedern neu organisieren. Diese Dschihadisten sind wie entsicherte Handgranaten. Niemand weiß, wann und wo sie explodieren werden.

Wir rufen die internationale Gemeinschaft dazu auf, eine Lösung für die IS-Gefangenen zu finden. Diese Last darf nicht nur auf den Schultern der Autonomieverwaltung und ihrer Institutionen liegen. Es muss ein internationaler Gerichtshof für diese Verbrecher eingerichtet werden. Außerdem muss es ein klares Projekt zur Entschädigung für die unter IS-Herrschaft angerichtete Zerstörung geben.“