Tele1 wird für eine Woche gesperrt

Die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde hat den oppositionellen Nachrichtensender Tele1 wegen Äußerungen seines Chefredakteurs Merdan Yanardağ über den PKK-Begründer Abdullah Öcalan mit einem Sendeverbot belegt.

Die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde RTÜK hat den Nachrichtensender Tele1 wegen Äußerungen seines Chefredakteurs Merdan Yanardağ über den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan mit einem Sendeverbot belegt. Ab Dienstag bleibt der oppositionelle Fernsehkanal für eine Woche gesperrt. RTÜK verhängte auch eine Geldstrafe in Höhe von fünf Prozent der Werbeeinnahmen im Juni gegen Tele1. Der Sender wehrt sich derzeit juristisch gegen die Entscheidung der Medienaufsicht. Wann über den Einspruch entschieden wird, steht noch nicht fest.

Merdan Yanardağ, der auch Besitzer von Tele1 ist, hatte am 25. Juni in der Sendung „4 Fragen 4 Antworten“ mit Studiogästen über die Haftbedingungen in der Türkei, insbesondere von politischen Gefangenen, gesprochen. Dabei hatte er die Frage gestellt, warum der vor 24 Jahren völkerrechtswidrig in die Türkei verschleppte PKK-Begründer Abdullah Öcalan noch immer in Isolationshaft auf einer Gefängnisinsel Imrali festgehalten wird. Öcalan werde als Geisel festgehalten, gleichzeitig werde mit ihm verhandelt, führte Yanardağ weiter aus und wies auf das strikte Kontaktverbot selbst zu seinen Anwält:innen und Familienangehörigen hin: „Abdullah Öcalan ist kein Mensch, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er ist im Gefängnis fast zu einem Philosophen geworden, weil er nichts anderes tut als lesen. Er ist ein äußerst intelligenter Mensch, der die Politik richtig liest, sie richtig sieht und richtig analysiert.“

Wenige Stunden nach diesen Äußerungen war Yanardağ noch im Sendegebäude in Istanbul von der Antiterrorpolizei festgenommen worden. Mittlerweile sitzt er in Europas größtem Strafvollzugskomplex Silivri westlich von Istanbul in Untersuchungshaft. Dem 62-Jährigen wird „Propaganda für eine terroristische Organisation” und das „Loben von Verbrechen und Kriminellen“ vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von bis zu zehneinhalb Jahren. Die Anklageschrift wurde noch nicht angenommen.

Das Verteidigungsteam von Yanardağ argumentiert unterdessen, dass die türkischen Justizbehörden die Äußerungen des Journalisten aus dem Zusammenhang gerissen hätten. Es seien zudem bewusst irreführende Aufnahmen des Tele1-Chefredakteurs verbreitet worden. Auch Yanardağ selbst wies die Vorwürfe von sich, er habe lediglich analysiert und nicht gelobt.

Tele1 ist ein linker Oppositionssender und wird nicht das erste Mal von der für Radio, Fernsehen und Internet zuständigen Aufsichtsbehörde RTÜK sanktioniert. Zuvor wurde der Kanal Anfang Juni zusammen mit drei anderen oppositionellen Medienunternehmen wegen kritischer Berichterstattung über Recep Tayyip Erdoğan und die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei im Mai mit Geldstrafen belegt.