Spekulationen über Öcalan: Anwaltskanzlei fordert Kontakt

Im Wahlkampf in der Türkei wird über vermeintliche Gespräche mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali spekuliert. Die Anwaltskanzlei Asrin bewertet die Gerüchte als Manipulation und fordert sofortigen Kontakt zu ihrem Mandanten.

In der Türkei läuft seit einiger Zeit eine Scheindebatte, in der über Gespräche mit Abdullah Öcalan im Vorfeld der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen spekuliert wird. Die Anwaltskanzlei Asrin, die Öcalan und seine drei Mitgefangenen auf der Gefängnisinsel vertritt, bewertet diese Gerüchte als Manipulation und erklärt: „Wir müssen erneut betonen, dass wir seit dem 25. März 2021 nichts mehr von Öcalan gehört haben. Trotz aller Anträge und Bemühungen seiner Anwältinnen und Anwälte und seiner Angehörigen sind uns die Lebensbedingungen und der Gesundheitszustand von Öcalan und unseren drei anderen Mandanten auf Imrali nicht bekannt. Diese Situation beunruhigt uns und die gesamte Gesellschaft.

Während des Wahlkampfes liefern sich die politischen Zentren einen Propagandawettlauf um Öcalan. Unter diesen Umständen möchten wir die gesamte Gesellschaft darüber informieren, dass der Mangel an Nachrichten und die strengen Isolationsbedingungen fortbestehen und dass all diese Diskussionen ohne Öcalans Wissen, Beitrag und Beteiligung weitergehen. Was richtig ist und getan werden sollte, ist, Öcalan die Möglichkeit zu geben, sich sofort mit seinen Anwältinnen und Anwälten zu treffen. Das Gesetz und ein Mindestmaß an Ethik erfordern dies ebenfalls. Unter diesen Bedingungen, in denen Öcalan keine Möglichkeit hat, sich zu äußern, halten wir spekulative Diskussionen, die bedeuten würden, die Realität der Isolation und des Mangels an Nachrichten zu ignorieren oder auszublenden, nicht für richtig.“

In der am 2. Mai veröffentlichten Stellungnahme im Zusammenhang mit den fraglichen Gesprächen auf Imrali hält die Anwaltskanzlei Asrin fest:

* Wir haben nach dem 25. März 2021 keine Nachrichten von Öcalan und unseren drei anderen Mandanten erhalten. An diesem Tag wurde ein Telefongespräch mit seinem Bruder unterbrochen und konnte nicht fortgesetzt werden. Der Grund für diese Unterbrechung ist uns nicht bekannt.

* Wir haben keine Informationen über die Haftbedingungen, die Behandlung und den Gesundheitszustand unserer Mandanten auf Imrali.

* Gemäß Artikel 66/3 des Gesetzes Nr. 5275 haben Verurteilte das Recht, „im Falle des Todes, einer schweren Krankheit, einer epidemischen Erkrankung oder einer Naturkatastrophe ihrer Erben, Nachkommen, Ehegatten und Geschwister unverzüglich von der Telefon- und Faxeinrichtung der Anstalt Gebrauch zu machen". Trotzdem wurde Öcalan und unseren anderen Mandanten dieses Recht selbst im Falle des Todes, geschweige denn bei Krankheit, ihrer Familienangehörigen vorenthalten, und dieses Verbot wurde auch während der Erdbeben vom 6. Februar nicht gelockert.

* Öcalan konnte 14 Jahre lang nur ein Einkanal-Radio benutzen und hatte erst 2013 Zugang zum Fernsehen, das allen Gefangenen zur Verfügung steht. Wie aus einem Bericht vom Mai 2018 hervorgeht, waren die Fernsehkanäle jedoch eingeschränkt und Zeitungen wurden mit einer Verzögerung von 40 Tagen zugestellt.

* Öcalan wurde vom 16. Februar 1999 bis zum 17. November 2009 zehn Jahre und neun Monate lang in Einzelhaft im Inselgefängnis gehalten, danach wurden fünf weitere unserer Mandanten nach Imrali verlegt. Obwohl diese Gefangenen später ausgetauscht wurden, wie in den Berichten des Antifolterkomitees CPT von 2016 und 2019 dargelegt, könnten unsere Mandanten nur sechs Stunden pro Woche zusammenkommen und verbringen die restliche Zeit allein in ihren Zellen.