Strafen für Journalist:innen wegen „moralischer Unterstützung“

Journalist:innen der Zeitung Özgürlükçü Demokrasi sind in der Türkei unter dem Vorwurf, mit ihren Nachrichten zur Efrîn-Invasion „moralische Unterstützung für eine Terrororganisation“ geleistet zu haben, zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Journalismus ist kein Verbrechen

Das Urteil über die Journalist:innen der per Dekret geschlossenen Zeitung Özgürlükçü Demokrasi (Freiheitliche Demokratie) wurde veröffentlicht. Sie wurden der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“, des „Lobs von Straftaten und Verbrechern“, der „Propaganda für eine Terrororganisation“ und der „Volksverhetzung“ von der 23. Kammer des Hohen Gerichtshofs in Istanbul für schuldig gesprochen. Der Journalist Mehmet Ali Çelebi wurde zu drei Jahren und neun Monaten, die Journalist:innen Reyhan Hacıoğlu, Ishak Yasul, Ihsan Yaşar und Hicran Ürün zu jeweils drei Jahren, einem Monat und 15 Tagen verurteilt. Die im Vertrieb tätige Mizgin Fendik wurde freigesprochen, während der Fall der Journalistin Pınar Tarlak getrennt verhandelt werden soll.

Kritische Berichte über völkerrechtswidrige Efrîn-Invasion als Straftaten

Die Urteilsbegründung ist skandalös. Den Journalist:innen wird vorgeworfen, dass sie, als der türkische Staat zusammen mit IS- und Al-Qaida-Söldnern und anderen Dschihadisten über den Kanton Efrîn in Nordsyrien herfiel, im Sinne der Demokratischen Kräfte Syriens (QSD) berichtet zu haben. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie die Verteidigung der Region gegen die völkerrechtswidrige Invasion als „legitime Selbstverteidigung“, „großen Kampf“ und „Widerstand des Jahrhunderts“ bezeichnet und damit glorifiziert hätten. Gleichzeitig wurde unterstellt, die Zeitung Özgürlükçü Demokrasi sei eine Nachfolgeorganisation der verbotenen Zeitung Özgür Gündem und stehe „im Einklang mit den Regeln der KCK [Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans] für die Veröffentlichung von Presseerzeugnissen“.

Kopien der Zeitungen als „Beweise“

In der Urteilsbegründung wird Pınar Tarlak als Chefredakteurin der Zeitung, „die die Mitarbeiter organisierte“ und die Zeitung im Sinne mit der „Terrororganisation“ erstellte, bezeichnet. Zwischen dem 20. Januar 2018 und dem 27. März 2018 sei in der Zeitung „Propaganda für eine Terrororganisation“ veröffentlicht worden und man habe „darauf abgezielt, die Erklärungen der Organisation zu veröffentlichen“. Es wurde festgestellt, dass gegen Tarlak ein weiteres Verfahren vor der 3. Istanbuler Strafkammer wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ anhängig ist. Daher wurde beschlossen, ihr Verfahren abzutrennen.

Unliebsame Nachrichten als Verbrechen

Dem Journalisten Mehmet Ali Çelebi wurde unterstellt, er sei für die Erstellung von Artikeln zuständig gewesen. Bei diesen Artikeln habe es sich um „Nachrichten im Einklang mit der Ideologie der Organisation gehandelt“. Çelebi wurde unter anderem vorgeworfen, er habe versucht, die internationale Öffentlichkeit für „die Terrororganisation“ zu gewinnen und sei daher der „Unterstützung einer Terrororganisation“ schuldig.

Die Interviews des Zeitungsredakteurin Reyhan Hacıoğlu und Kopien der Zeitung, die auf den bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmten Datenträgern gefunden wurden, wurden als Beweise für „Straftaten“ angeführt.

Moralische Unterstützung“ als Verbrechen

Dem Journalisten Ishak Yasul wurde unterstellt, er sei als leitender Redakteur für die nicht unterzeichneten Nachrichten verantwortlich. Die Nachrichten über die Efrîn-Invasion stellten ebenso eine Straftat dar, wie die Veröffentlichung der Kriegsbilanz der HPG. Diese Nachrichten seien „im Einklang mit den Zielen der Terrororganisation“ veröffentlicht worden.

Weiterhin wurde Hicran Ürün als Herausgeberin der Zeitung bezeichnet. Es wurde behauptet, dass Ürün die Zeitung vorbereitet und mit den dort veröffentlichen Nachrichten „der Terrororganisation Moral und Motivation verliehen“ habe. Sie habe sich der „moralischen Unterstützung einer Terrororganisation“ schuldig gemacht.

Laut dem Ranking von Reporter Ohne Grenzen befindet sich die Türkei auf Platz 158 der 180 Länder, in denen die Pressefreiheit von RSF untersucht wurde. RSF bewertet die Lage der Pressefreiheit in der Türkei als sehr ernst. Dabei hat sie selbst nur einen Bruchteil der vielen inhaftierten Journalist:innen erfasst.