Staatsanwalt fordert bis zu sechs Jahre Haft für ÖGI-Sprecher

Im Prozess gegen den Journalisten Hakkı Boltan hat die Staatsanwaltschaft in Amed ihr Plädoyer vorgelegt. Wegen Präsidenten- und Beamtenbeleidigung soll der ÖGI-Sprecher bis zu sechs Jahre ins Gefängnis.

Im Prozess gegen den kurdischen Journalisten Hakkı Boltan wegen Präsidenten- und Beamtenbeleidigung hat die Staatsanwaltschaft Diyarbakir (ku. Amed) bis zu sechs Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Das sagte Boltans Anwalt Resul Tamur. Boltan, der unter anderem für Yeni Yaşam schreibt und Sprecher der Initiative freier Journalist*innen (Özgür Gazeteciler Inisiyatifi, ÖGI) ist, muss sich in dem Verfahren aufgrund einer auf Kurdisch gehaltenen Rede zum Tod von Rohat Aktaş verantworten. Beleidigt fühlt sich neben Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan auch der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu.

Das Verfahren gegen Boltan findet an der 12. Strafkammer des Landgerichts Diyarbakir statt. Der Staatsanwalt hat sein Plädoyer nicht laut verlesen, sondern die Strafforderungen zuvor schriftlich eingereicht. Rechtsanwalt Tamur forderte bei der gestrigen Verhandlung mehr Zeit für die Verteidigung. Wegen Beleidigung des Präsidenten wird zwischen einem und vier Jahren Haft für Boltan gefordert. Aufgrund der Ehrverletzung des Ex-Ministerpräsidenten soll er für mindestens drei Monate und maximal zwei Jahre hinter Gitter. Der Prozess soll nun am 29. Juni fortgesetzt werden. Boltan selbst war nicht anwesend.

Hintergrund des Verfahrens

Rohat Aktaş war Redakteur der per Dekret verbotenen kurdischsprachigen Zeitung Azadiya Welat („Freie Heimat“). Am 13. Februar 2016 wurde er zusammen mit 59 weiteren Zivilist*innen in einem der Todeskeller von Cizîr (Cizre) von türkischen Sicherheitskräften bei lebendigem Leib verbrannt.

Hakkı Boltan konnte telefonischen Kontakt zu Rohat Aktaş herstellen, als dieser mit Dutzenden weiteren Menschen im Keller eines Wohnhauses in Cizîr eingeschlossen war. Daraufhin richtete er einen Appell an die Regierung und forderte sie auf, die Menschen zu evakuieren. Wenige Tage später leiteten türkischen Militärs Benzin in den Keller und setzten ihn anschließend in Brand. Niemand überlebte, das Kriegsverbrechen ist bis heute ungesühnt.

Hakkı Boltan äußerte damals scharfe Kritik am Handeln türkischer Sicherheitskräfte in der von Militärs und Polizei belagerten Stadt Cizîr. Vor Gericht gab er bereits mehrfach an, die ihm zur Last gelegten Aussagen nicht getätigt zu haben. Die Rede von Boltan zum Tod von Aktaş war von Polizeibeamten übersetzt worden. Boltan bestreitet, dass es sich um Beleidigungen handelte. Gegen den Journalisten laufen noch weitere Verfahren, darunter wegen vermeintlicher Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation.