Vor einem türkischen Gericht in der nordkurdischen Provinz Amed (Diyarbakir) wurde am Dienstag der Prozess gegen den Journalisten Hakkı Boltan fortgesetzt. Boltan, der Sprecher der Initiative freier Journalist*innen (Özgür Gazeteciler Inisiyatifi, ÖGI) ist, muss sich aufgrund einer auf Kurdisch gehaltenen Rede zum Tod seines Kollegen Rohat Aktaş wegen „Präsidentenbeleidigung“ verantworten. Aktaş war Redakteur der per Dekret verbotenen kurdischsprachigen Zeitung Azadiya Welat („Freie Heimat“). Am 13. Februar 2016 wurde er zusammen mit sechzig weiteren Zivilist*innen in einem der Todeskeller von Cizîr (Cizre) von türkischen Sicherheitskräften bei lebendigem Leib verbrannt.
Hakkı Boltan konnte telefonischen Kontakt zu Rohat Aktaş herstellen, als dieser mit Dutzenden weiteren Menschen im Keller eines Wohnhauses in Cizîr eingeschlossen war. Daraufhin richtete er einen Appell an die Regierung und forderte sie auf, die Menschen zu evakuieren. Wenige Tage später leiteten türkischen Militärs Benzin in den Keller und setzten ihn anschließend in Brand. Niemand überlebte, das Kriegsverbrechen ist bis heute ungesühnt.
Hakkı Boltan äußerte damals scharfe Kritik am Handeln türkischer Sicherheitskräfte in der von Militärs und Polizei belagerten Stadt Cizîr. Die Rede, die ihm zum Vorwurf gemacht wird, wurde allerdings von Polizeibeamten übersetzt. Vor Gericht gab er an, die ihm zur Last gelegten Aussagen, wonach er den türkischen Präsidenten beleidigt hätte, nicht getätigt zu haben. Das Gericht ordnete an, die Ansprache von einem Gutachter überprüfen zu lassen und vertagte den Prozess. Das Verfahren wird am 9. April vor der 12. Strafkammer des Landgerichts Diyarbakir fortgesetzt.
Posthum Ermittlungen gegen Rohat Aktaş
Die türkische Regierung und die Justiz der Türkei haben in ihrem Eifer, Kritiker*innen auszuschalten, ganz offensichtlich jedes Maß verloren. Gegen den Journalisten Rohat Aktaş sind bereits zweimal posthum Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusvorwürfen eingeleitet worden. Beide Male forderte die Staatsanwaltschaft Haftstrafen in Höhe von siebeneinhalb Jahren.