DEM-Partei berät Fahrplan für Friedensprozess

Nach dem Friedensappell von Abdullah Öcalan und der Selbstauflösungsankündigung der PKK hat die DEM auf ihrer Parteiratssitzung in Ankara einen politischen Fahrplan diskutiert. Im Zentrum: Dialog, Reformen und eine neue gesellschaftliche Verständigung.

Bakırhan: „Wir stehen an einem historischen Scheideweg“

Die Partei der Völker für Gleichheit und Demokratie (DEM) hat am Donnerstag in ihrer Zentrale in Ankara eine Parteiratssitzung abgehalten und dabei zentrale Weichenstellungen für den weiteren politischen Kurs beschlossen. Im Fokus standen die gesellschaftlichen und politischen Reaktionen auf den Friedensaufruf Abdullah Öcalans vom 27. Februar sowie die Selbstauflösungsankündigung der PKK auf deren 12. Kongress.

Unter Vorsitz der Ko-Vorsitzenden Tülay Hatimoğulları und Tuncer Bakırhan verständigte sich die Partei auf eine demokratische Initiative, die parlamentarische Reformen, gesellschaftliche Aufklärung und institutionelle Verantwortung umfasst. Bakırhan machte in einer begleitenden Pressekonferenz deutlich: „Wir stehen an einem historischen Scheideweg. Entweder gelingt es, die kurdisch-türkischen Beziehungen auf demokratischer Grundlage neu zu gestalten – oder wir verlieren uns im Szenario eines Nahen Ostens der Krisen und Konflikte.“

Geopolitische Umbrüche: Neue Sprache, neue Verantwortung

Bakırhan ordnete die gegenwärtige Situation in einen größeren geopolitischen Kontext ein: „Eine neue Welt, ein neuer Naher Osten entsteht. Alte Allianzen zerfallen, neue Kräfteverhältnisse und Sicherheitslogiken entstehen. Wer sich dieser Realität nicht anpasst, wird im Umbruch untergehen.“


Mit Blick auf die Friedenssignale der kurdischen Bewegung betonte Bakırhan, dass die Wahl nicht zwischen Kompromiss und Konfrontation, sondern zwischen „Zukunft oder Chaos“ liege. Besondere Bedeutung maß der Parteirat der jüngsten Begegnung mit Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali bei, aus der die Forderung nach einem „neuen Gesellschaftsvertrag“ hervorging. Die DEM-Partei sieht darin den Kern einer möglichen Friedensordnung, die sowohl türkisch-kurdische Zusammenarbeit als auch demokratische Pluralität sichern soll.

Friedensprozess als Existenzfrage – nicht als Verhandlungsmasse

Deutlich widersprach Bakırhan jenen, die den Friedensprozess als taktisches Manöver interpretieren: „Das ist keine Verhandlungsmasse – es ist eine Frage des politischen Überlebens. Ein gemeinsames Leben zwischen Diyarbakır und Edirne ist möglich. Wenn wir diese Chance nutzen, entsteht ein demokratisches Modell mit Strahlkraft über die Türkei hinaus.“

Mit Blick auf die Rolle des türkischen Parlaments mahnte Bakırhan, Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Er erinnerte an die unzureichende parlamentarische Einbindung während der Dialogphase zwischen Öcalan und dem türkischen Staat in den Jahren zwischen 2013 und 2015 und forderte nun eine gesetzlich abgesicherte politische Plattform: „Der Ort für eine neue gesellschaftliche Übereinkunft ist das Parlament. Hier muss ein transparenter, demokratischer Prozess verankert werden.“

Gesellschaftlicher Dialog statt Polarisierung

Die DEM-Partei will den Friedensprozess „aus den Parteizentralen heraus in die Breite der Gesellschaft tragen“. Die im April gestartete Informationskampagne „Hausbesuche für den Dialog“ soll fortgesetzt und ausgeweitet werden – über die kurdischen Hochburgen hinaus. „Wir brauchen eine Sprache der Umarmung, nicht der Ausgrenzung“, so Bakırhan. „Friedensarbeit ist nicht nur Aufgabe unserer Basis – wir müssen alle Schichten der Gesellschaft erreichen: von Kars bis Edirne, von Batman bis Izmir.“

Appell an die politische Konkurrenz

In Richtung anderer Parteien erklärte Bakırhan, dass Kritik am Prozess allein nicht ausreiche: „Wer die gegenwärtige Entwicklung ernst nimmt, muss eigene Vorschläge vorlegen. Es ist keine Zeit mehr für Schweigen, Zögern oder parteitaktische Spielchen.“ Er sprach von einer Verantwortung, „eine gemeinsame Zukunft zu gestalten“, und rief dazu auf, den Friedensprozess nicht durch politische Polarisierung zu gefährden: „Kritische Stimmen gibt es genug – was fehlt, ist eine gemeinsame Vision. Wir rufen dazu auf, Brücken zu bauen, statt Gräben zu vertiefen.“

Abschließender Ausblick

Die Ergebnisse der Parteiratssitzung sollen nun vom Zentralkomitee (MYK) konkretisiert werden. DEM-Parteisprecherin Ayşegül Doğan kündigte für den 24. Mai um 13:00 Uhr eine Pressekonferenz an, bei der auch die politische Roadmap vorgestellt wird.