Kurdischer Journalist wegen „Präsidentenbeleidigung” angeklagt
Der kurdische Journalist Oktay Candemir wurde erneut wegen vermeintlicher „Präsidentenbeleidigung” angeklagt. Zuvor war der 43-Jährige in zwei ähnlichen Verfahren freigesprochen worden.
Der kurdische Journalist Oktay Candemir wurde erneut wegen vermeintlicher „Präsidentenbeleidigung” angeklagt. Zuvor war der 43-Jährige in zwei ähnlichen Verfahren freigesprochen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft von Van ermittelt wieder gegen den kurdischen Journalisten Oktay Candemir. Es handelt sich mittlerweile um das dritte Verfahren gegen den 43-Jährigen, das wegen „Präsidentenbeleidigung” angestrengt wird. In der Vergangenheit war der Journalist bereits zweimal von diesem Vorwurf freigesprochen worden.
Im aktuellen Verfahren wird Candemir eine am 5. September 2019 in einer Regionalzeitung aus der nordkurdischen Provinz Wan erschienen Kolumne vorgeworfen. Konkret geht es um die darin enthaltene Kritik am politischen Putsch gegen HDP-geführte Kommunen in kurdischen Städten. Seit vergangenem August sind bereits 38 Ko-Bürgermeister*innen der HDP ihres Amtes enthoben worden. Gegen 27 von ihnen erging Haftbefehl, 25 Bürgermeister*innen sitzen im Gefängnis. In sechs Kommunen konnten die im vergangenen März gewählten Bürgermeister*innen ihr Amt gar nicht erst antreten, weil der Wahlausschuss ihnen die Anerkennung verweigerte. An ihrer Stelle wurden die unterlegenen AKP-Kandidaten ins Amt gehievt.
Candemir hatte in seinem Beitrag darauf hingewiesen, dass die AKP in der Türkei schrittweise ein Regime errichtet, in dem Mandatsträger*innen nicht mehr gewählt, sondern ernannt werden. Das Torpedieren der kurdischen Kommunalpolitik auf Anweisung Recep Tayyip Erdoğans hatte er als eine „autoritäre Politik der Zerschlagung” bezeichnet.
Die Höchststrafe für Präsidentenbeleidigung liegt in der Türkei bei vier Jahren und acht Monaten. Unter der Regierung von Erdoğan gibt es inzwischen jährlich Tausende Ermittlungsverfahren.
Wer ist Oktay Candemir?
Der ehemalige Korrespondent der per Staatsdekret verbotenen kurdischen Nachrichtenagentur DIHA Oktay Candemir gerät immer wieder ins Visier der türkischen Sicherheitsbehörden. Im September wurde ihm im Zusammenhang mit Beiträgen über den Kongress des HDP-Provinzverbands von Wan im Jahr 2017 im Kurznachrichtendienst Twitter bereits „Präsidentenbeleidigung” vorgeworfen, im April stürmten Spezialeinheiten der Polizei seine Wohnung und verschleppten ihn in die Antiterrorzentrale. Die Staatsanwaltschaft warf ihm damals Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vor und beantragte einen Haftbefehl, den der Haftrichter ablehnte.
Bei seiner Festnahme im Dezember 2018 warf man Candemir ebenfalls vor, „führende Staatsbedienstete“ beleidigt zu haben. Seit mehr als 17 Jahren arbeitet der aus Wan stammende Candemir in der Region als Journalist. Im Rahmen der sogenannten KCK-Verfahren (Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans) in der Türkei, die sich gegen alle Bereiche der kurdischen Politik und Zivilgesellschaft richteten, wurden Ende 2011 insgesamt 46 Journalist*innen und Pressemitarbeiter*innen beschuldigt, Verbindungen zum „KCK-Pressekomitee“ zu unterhalten. 19 von ihnen wurden inhaftiert – unter ihnen auch Candemir, der nach rund einem Jahr aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.
Seit 2016 wurden weitere Ermittlungen gegen ihn geführt. In 27 Fällen musste er aufgrund seiner journalistischen Tätigkeit polizeiliche Befragungen über sich ergehen lassen.