Journalisten-Delegation trifft sich mit Gouverneur von Silêmanî

Mehrere Journalist:innen aus Europa halten sich derzeit in Südkurdistan auf, um Informationen zum Drohnenmord an ihren Kolleginnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn zu sammeln. Heute trafen sie sich mit dem Gouverneur von Silêmanî.

Türkischer Drohnenmord an Journalistinnen

Am 23. August 2024 wurden die Journalistinnen Gulistan Tara (40) und Hêro Bahadîn (27) während einer Reportagereise in der Nähe von Silêmanî in der Kurdistan-Region des Irak (KRI) bei einem türkischen Drohnenangriff getötet. Seitdem behauptet die türkische Regierung, die beiden Frauen gehörten der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) an, mit der sich Ankara im Krieg befinde. Stichhaltige Beweise für die Anschuldigungen existieren nicht. Es ist eine immer wiederkehrende Behauptung des türkischen Staates, Opfer von extralegalen Tötungen als PKK-Mitglieder und damit „legitime militärische Ziele“ auszugeben, um Kriegsverbrechen zu rechtfertigen und sich gleichzeitig von ihnen distanzieren zu können.

Aber auch die Regierung im Irak scheint nicht gewillt zu sein, das Kriegsverbrechen an Gulistan Tara und Hêro Bahadîn als solches zu sehen und adäquat darauf zu reagieren. Denn obwohl seit dem tödlichen Angriff auf das Fahrzeug der beiden Journalistinnen mehr als sechs Wochen vergangen sind, haben die irakischen Behörden ihre Tötung weder verurteilt noch einen ernsthaften Versuch unternommen, sich für die Ermittlung und Bestrafung der Verantwortlichen in Ankara einzusetzen. Eine Journalisten-Delegation aus Europa hat deshalb am Montag Gespräche in der KRI begonnen, um Informationen über die Tat zu sammeln, die dann an Menschenrechts- und Presseorganisationen übermittelt werden sollen. Die Delegationsmitglieder, bei denen es sich um Alice Magar, Emma Audrey, Diler Akreyi, Hendrin Faraj Mohamed, Jallan Ziaei und Devrim Alp handelt, sind dabei auch mit Heval Ebubekir, Gouverneur von Silêmanî, zusammengekommen. „Ich bin froh, dass Pressevertreter:innen aus Europa daran gelegen ist dazu beizutragen, dass eine offizielle Untersuchung dieses und weiterer Fälle eingeleitet wird, und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.“ Bereits zuvor hatte Ebubekir umfangreiche politische Konsequenzen aus dem Mord, aber auch aus den eskalierenden Angriffen sowie der Besatzung der türkischen Armee im südlichen Kurdistan gefordert.

Die Delegation besuchte auch die NGO Metro

„Mit der gezielten Ermordung von Journalistinnen und Journalisten unterbindet die Türkei kritische Berichterstattung und verhindert so systematisch die Dokumentation von Kriegsverbrechen“, betonte Gouverneur Ebubekir in dem Gespräch, an dem sich auch die Journalisten Kemal Hemaraza, Karwan Mahmud, Enes Mihemed, Berhem Adil und Şadyar Şoreş von der Produktionsfirma CHATR beteiligten, für die ihre Kolleginnen Gulistan Tara und Hêro Bahadîn ebenfalls arbeiteten. Er warf der Türkei vor, bei extralegalen Tötungen in Kurdistan systematisch auf die Mär von „wir haben nur Terroristen neutralisiert“ einzusteigen, um zivile Opfer ihrer völkerrechtswidrigen Militärgewalt im Nachhinein zu diskreditieren und den Angriff zu rechtfertigen, der internationalen Gemeinschaft bescheinigte der Beamte eine „weitgehende Ignoranz“. Ankara nutze nicht erst seit gestern Anschuldigungen ohne stichhaltige Beweise als Freibrief für die Ermordung von Zivilpersonen und Medienschaffenden in der KRI, so der Beamte. Das aber stehe in völligem Widerspruch zum humanitären Völkerrecht. Deshalb müssten diese Fälle untersucht und geahndet werden, auch auf internationaler Ebene, forderte Ebubekir.

Solidaritätsbesuch bei CHATR Productions, für die Tara und Bahadîn arbeiteten

Der Journalist Hendrin Faraj Mohammed sagte, Regierung und Armee in der Türkei hätten „in ihrem Eifer, unliebsame Personen auszuschalten, offensichtlich jedes Maß verloren“.  Was müsse eigentlich noch passieren, damit die Regierungen in Bagdad, Hewlêr (Erbil) und anderswo sich konkret und mit Namensnennung hinter Journalist:innen stellen, die ausschließlich wegen ihrer Berufsausübung verfolgt und getötet werden, fragte er. Der Journalist Diler Akrei forderte: „Das Mindeste, was jetzt zu tun ist, der türkischen Regierung eine offizielle Protestnote zu übergeben und juristische Untersuchungen der Kriegsgräuel in Kurdistan einzuleiten.“ Lauter Protest sei das Gebot der Stunde. Journalistinnen und Journalisten, Medieneinrichtungen und die Regierung von Silêmanî müssten sich gegen die „türkische Unterdrückungspolitik“ zur Wehr setzen. Darüber hinaus sei internationale Solidarität gefordert. „Die Türkei tötet gezielt kurdische Medienschaffende in der KRI. Damit versucht sie, Kriegsverbrechen zu verschleiern. Wenn Staaten und Regierungen dazu schweigen, unterstützen sie die Türkei in ihrer Haltung, kurdische Stimmen zu unterdrücken. Dann müssen wir als Journalist:innen sie an ihre Pflichten und Verantwortlichkeiten erinnern.“

Besuche bei CHATR, Metro, RojNews und JinNews

Weitere Gespräche führte die Delegation am Montag unter anderem mit der Belegschaft von CHATR Productions und dem Metro Center for Journalist Rights & Advocacy, außerdem wurden die Redaktionen der Nachrichtenagentur RojNews und des Frauenfernsehsenders Jin TV besucht. Bei den Treffen ging es auch um die Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in der Kurdistan-Region des Irak. In den kommenden Tagen will die Delegation mit NGOs im Bereich Menschenrechte und Angehörigen von Gulistan Tara und Hêro Bahadîn sprechen.