Journalist:innen haben in Istanbul gegen die Verhaftung von 16 Kolleg:innen in Amed (tr. Diyarbakir) protestiert und vor einer Ausweitung der Repression gegen Medienschaffende in der Türkei gewarnt. Zu der Kundgebung auf dem Şişhane-Platz in Beyoğlu hatten die Journalistinnenplattform Mesopotamiens (MKGP) und der Journalistenverein Dicle-Firat (DFG) aufgerufen.
In der von den MKGP-Mitgliedern Diren Yurtsever und Durket Süren auf Türkisch und Kurdisch vorgetragenen Erklärung machten die Journalist:innen darauf aufmerksam, dass die Regierung aus AKP und MHP den Ausweg aus ihrer Krise in der Einschüchterung der Gesellschaft sieht und dafür auf Krieg, Unterdrückung und Gewaltinstrumente setzt. Wer sich der Regierungspolitik widersetze, gerate in die Fänge der Justiz. Mit juristischen Mitteln werde versucht, oppositionelle Stimmen unter Kontrolle zu bekommen, so die Erklärung: „Die Regierung betrachtet alle Stimmen, die sich gegen die von ihr verursachten Wirtschaftskrise, ihre Verbrechen, gegen Krieg und Ausbeutung aussprechen, als feindlich.“ Für den eigenen Machterhalt führe die Regierungskoalition im Hinblick auf die bevorstehende Wahlen Krieg und wolle die nicht von ihr kontrollierten Medien einschüchtern.
„Unser Kampf geht weiter, wir werden nicht schweigen“
Zu den Verhaftungen in Amed erklärten die Journalist:innen: „16 Kolleginnen und Kollegen sind nach achttägigem Polizeigewahrsam ungerechtfertigterweise und ohne juristische Grundlage verhaftet worden. Diese Operation folgte einer Inszenierung. Angegriffen werden damit nicht nur unsere verhafteten Kolleginnen und Kollegen und der Journalismus selbst. Vielmehr sollen die Stimmen des verleugneten und gegen Unterdrückung kämpfenden kurdischen Volkes, der ausgegrenzten Glaubensgemeinschaften und Bevölkerungsgruppen, der Frauen, Kinder und Jugendlichen sowie der Ökologiebewegung unterdrückt werden. Diese Stimmen sollen nicht gehört werden.“
In der Erklärung wurde auf die lange Tradition freier Medien und die seit Jahrzehnten andauernde Repression hingewiesen. Weiter hieß es: „Wir werden keinen Schritt zurückweichen und der Repression zum Trotz immer mehr werden, die sich für ihren Beruf einsetzen. Unsere verhafteten Kolleginnen und Kollegen werden weiterschreiben, ob drinnen oder draußen. Wir empfinden es als Ehre, für die freien Medien zu arbeiten, und werden weiterhin die Stimme der Gesellschaft und der Wahrheit sein. Unser Kampf geht weiter, wir werden nicht schweigen.“
Hintergrund: Medienschaffende als „Terroristen“ verhaftet
Im Zuge des von der Generalstaatsanwaltschaft Diyarbakir (ku. Amed) geführten „Ermittlungsverfahrens“ gegen zwanzig Journalist:innen und zwei weitere Personen wurden am 8. Juni sechs Medieneinrichtungen durchsucht, darunter zwei Nachrichtenagenturen (MA und JinNews) und eine kurdischsprachige Zeitung (Xwebûn). Auch die Produktionsfirmen Piya, Ari und Pel wurden ins Visier genommen. Das Medienmaterial in diesen Einrichtungen wurde von der Polizei beschlagnahmt, die eingezogenen Kameras wurden in der polizeilichen Antiterrorabteilung als Beweismittel für die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation präsentiert.
Die 16 verhafteten Journalist:innen befinden sich im T-Typ-Gefängnis Diyarbakir. Bei den am 15. Juni wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation Verhafteten handelt es sich um die Direktorin der Frauennachrichtenagentur JinNews, Safiye Alagaş, den Ko-Vorsitzenden des Journalistenvereins Dicle-Firat (DFG), Serdar Altan, den Redakteur der Nachrichtenagentur MA, Aziz Oruç, Xwebûn-Redakteur Mehmet Ali Ertaş sowie um Zeynel Abidin Bulut, Ömer Çelik, Mazlum Doğan Güler, Ibrahim Koyuncu, Neşe Toprak, Elif Üngür, Abdurrahman Öncü, Suat Doğuhan, Remziye Temel, Ramazan Geciken, Lezgin Akdeniz und Mehmet Şahin. Die JinNews-Redakteurin Gülşen Koçuk sowie Esmer Tunç, Mehmet Yalçın, Kadir Bayram, Feynaz Koçuk und Ihsan Ergülen wurden unter Meldeauflagen entlassen.