Medienschaffende protestieren gegen Zensurgesetz in der Türkei

In Istanbul haben Journalist:innen und Gewerkschaften gegen das von der türkischen Regierungskoalition geplante Gesetz gegen Desinformation und Fake News protestiert. Der Entwurf wurde als eindeutiges Zensurgesetz bezeichnet.

Journalist:innen haben in Istanbul gegen das geplante „Zensurgesetz“ protestiert. An der Protestaktion vor dem Friedensdenkmal in Şişhane nahmen die Mediengewerkschaft Basın-İş, die Journalistengewerkschaft TGS und die Gemeinschaft der Journalist:innen in der Türkei (TGC) sowie zahlreiche weitere Medienschaffende teil.

Hintergrund des Protestes ist der von der türkischen Regierungskoalition aus AKP und MHP am 27. Mai ins Parlament eingebrachte Gesetzentwurf, der unter anderem für die vorsätzliche Verbreitung von „Desinformationen und gefälschten Nachrichten” bis zu drei Jahren Haftstrafe vorsieht. Özge Yurttaş erklärte im Namen der Gewerkschaft Basın-İş, dass sich das Gesetzesvorhaben gegen alle Medien richte, die nicht regierungsnah sind. „Es handelt sich um eines der finstersten Gesetze in der Geschichte der Republik und bedroht neben digitalen Medien auch ganz normale Bürgerinnen und Bürger“, so die Gewerkschafterin. Die Argumentation der „öffentlichen Interessen“ und der „nationalen Sicherheit“ werde herangezogen, um Nutzer:innen digitaler Medien zu verurteilen und alle zum Schweigen zu bringen, die die Regierung nicht unterstützten.

Der TGS-Vorsitzende Gökhan Durmuş erinnerte an die Verhaftung von 16 Journalist:innen in Amed (tr. Diyarbakir) in der vergangenen Woche und verwies darauf, dass als Beweismittel für den Verdacht einer terroristischen Straftat die Kameras und Artikel der Verhafteten aufgeführt wurden. „Bereits vor der Verabschiedung des neuen Gesetzentwurfs wird Journalismus in der Praxis verhindert. Wir fordern die Rücknahme dieses Gesetzesvorhabens“, erklärte Durmuş.

Desinformationen werden ohnehin von der Regierung selbst verbreitet“

Für die TGC ergriff Uğur Güç das Wort und verurteilte den Entwurf als schwerwiegendes Zensurgesetz: „Anders kann man es nicht nennen. Desinformationen werden ohnehin von der Regierung selbst verbreitet. Wenn wir sagen, dass Inflation herrscht und die Benzinpreise steigen, wird man uns ins Gefängnis werfen. Wir haben keine Angst vor dem Gefängnis, wir werden ohnehin ständig verhaftet und vor Gericht gestellt. Trotzdem werden wir weiter die Wahrheit schreiben.“

Der 40 Artikel umfassende Gesetzentwurf definiert die Begriffe „Desinformation” und „Vorsatz” nur vage und kann von der Regierung benutzt werden, um die Veröffentlichung unliebsamer Informationen nach Gutdünken strafrechtlich zu verfolgen.