Kommende Woche beginnt vor einem Strafgericht in Amed (tr. Diyarbakır) der Prozess gegen 18 kurdische Medienschaffende, denen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ vorgeworfen wird. Bei den Angeklagten handelt es sich um Journalistinnen und Journalisten in der Tradition der freien kurdischen Presse, die unter anderem für die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) und die Zeitung Xwebûn arbeiten. 15 von ihnen befinden sich seit Juni 2022 in Untersuchungshaft.
Dicle Müftüoğlu, Ko-Vorsitzende der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG), ist ebenfalls im Gefängnis. Sie war im Mai festgenommen worden, allerdings auf Grundlage eines anderen Verfahrens gegen die kurdische Presse. Aus dem Frauengefängnis in Sincan heraus hat sie einen Appell zur Verteidigung des Journalismus veröffentlicht. Sie ruft die Öffentlichkeit auf, sich für die Freiheit ihrer Kolleginnen und Kollegen einzusetzen und den Prozess in Amed solidarisch zu begleiten. Das Verfahren startet am 11. Juli.
„Journalistische Arbeit wird de facto verhindert“
In ihrem Schreiben zieht Müftüoğlu ein düsteres Fazit zur Pressefreiheit in der Türkei und Nordkurdistan: „Aufgrund von Geldstrafen, Zensur und Internetblockaden werden Medienschaffende faktisch daran gehindert, ihre Arbeit zu verrichten. Allein in der ersten Juniwoche wurden Tausende Nachrichten von Webseiten gesperrt, wie Berufsverbände der Presse berichten. Zudem hat das Parlament ein sogenanntes ‚Zensurgesetz‘ verabschiedet, das von der Regierung im letzten Jahr in Kraft gesetzt wurde und die Lage weiter verschärft hat. Dieses Gesetz dient als Deckmantel für die Praktiken der Regierung. Jeder Schritt, den die Regierung durch Justiz und Strafverfolgungsbehörden unternimmt, zielt darauf ab, den Journalismus weiter zu untergraben.“
Zahl der inhaftierten Journalist:innen steigt ständig
Müftüoğlu betont, dass die Zahl der inhaftierten Presseleute laut monatlichen Daten der DFG stetig steigt: „Im Juni 2022 wurden 20 Kolleg:innen festgenommen, von denen 16 inhaftiert worden sind. Safiye Alagaş, eine Redakteurin bei JinNews, wurde nach der Abtrennung ihres Verfahrens nach der ersten Anhörung freigelassen. Am 11. Juli werden 18 unserer Kolleg:innen, von denen sich 15 weiter in Haft befinden, vor Gericht gestellt. Doch über diese Mentalität, die immer wieder den Journalismus vor Gericht stellt, wird letztendlich selbst geurteilt werden.“
„Ich rufe die Gesellschaft zur Solidarität auf“
Müftüoğlu ruft auf: „Lasst uns gemeinsam am 11. Juli vor dem Gericht in Amed ‚Freiheit für die Journalisten und den Journalismus‘ fordern. Wir müssen erkennen, dass nicht nur unsere 18 Kolleg:innen vor Gericht stehen, sondern der gesamte Berufsstand des Journalismus bedroht ist und zur Gleichschaltung verurteilt werden soll. Das müssen wir verhindern!“
Müftüoğlu appelliert: „Ich rufe all meine Kolleg:innen im Sincan-Gefängnis, wo ich seit zwei Monaten inhaftiert bin, sowie die demokratische Öffentlichkeit zur solidarischen Unterstützung auf. Lasst uns gemeinsam unsere Stimme erheben, um die Ehre des Journalismus zu verteidigen.“