Die inhaftierte Ko-Vorsitzende der Journalistenvereinigung Dicle Fırat (DFG), Dicle Müftüoğlu, und der Redakteur der Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA), Sedat Yılmaz, waren unter den vielen Menschen aus der Zivilgesellschaft, die vor wenigen Tagen bei einer von Ankara aus orchestrierten Serie von Razzien in 15 verschiedenen Städten festgenommen wurden. Die beiden Journalist:innen wurden am 3. Mai, dem Welttag der Pressefreiheit, aufgrund ihrer Pressearbeit unter dem Vorwand der „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ inhaftiert.
Gegen die Repression regte sich breiter Protest. Die zunehmenden Angriffe des Staates auf die Zivilbevölkerung werden als Versuche wahrgenommen, die Öffentlichkeit vor den Wahlen einzuschüchtern und eine Berichterstattung über möglichen Wahlbetrug zu verhindern. Die beiden Journalist:innen schickten aus dem Sincan-Gefängnis Botschaften an die Öffentlichkeit.
Dicle Müftüoğlu berichtet von ihrer Festnahme. Nach der Inhaftierung von fünf ihrer Kolleg:innen wurde ihre Wohnung gestürmt und ihre gesamte Ausrüstung beschlagnahmt. Sie schreibt: „Wir wurden in einer 15-stündigen Busfahrt nach Ankara gebracht. Wir wurden zu Personen, die wir nicht kannten und die in anderen Bereichen tätig waren, und über unsere journalistischen Tätigkeiten und Telefonate ausgefragt. Wenn man früher einmal unter einem Baum gestanden hatte oder den Weg mit diesen Personen gekreuzt hatte, dann wurde das als Verbrechen gewertet. Bei einem aktuellen Verfahren wurde sogar die Anwesenheit in einer Funkzelle mit den Personen, gegen die gerade Verfahren stattfinden, als Beleg einer ‚organisatorischen Einheit‘ bewertet. Am 3. Mai, also dem internationalen Tag der Pressefreiheit, wurden die Handschellen, die uns vier Tage zuvor angelegt worden waren, noch enger gezogen. Sie haben uns in einer filmreifen Aktion mitgenommen und uns an den Ort, an dem wir uns jetzt befinden, oder besser gesagt, an dem wir gefangen gehalten werden, gebracht. Wir wurden in einer Show-Aktion in einer Reihe aufgestellt. Man versuchte uns zu nötigen, dass wir die Köpfe senkten und wir wurden in einer Reihe zum Gefängnis geführt.“
„Das Regime wird verschwinden und die Sonne wird aufgehen“
Müftüoğlu unterstreicht, der Umgang mit ihnen stelle einen Einschüchterungsversuch gegenüber der gesamten Presse dar, und fährt fort: „Diese Regierung, die diese Zeit zu verantworten hat, in der die Verteidigung der Pressefreiheit ein Verbrechen darstellt, wird auf jeden Fall gehen. Die Regierung hat mit ihren Operationen alles in den vergangenen Monaten darangesetzt, ihren Thron zu stabilisieren. Aber sie wird im Angesicht des Kampfes der Menschen, die die Freiheit wollen, besiegt werden. Gegenüber all diesen Verhaftungen und auch wenn wir hinter diesen Mauern sitzen, werden wir weiterhin versuchen, uns an die Öffentlichkeit zu wenden. Wir wissen, dass nicht wir, sondern die Wahrheit hier eingekerkert werden soll. Wir rufen daher alle unsere Kolleg:innen auf, sich für die Wahrheit und den freien Journalismus einzusetzen. Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen Organisationen und die Gesellschaft auf, für ihr Recht, Nachrichten zu erhalten, einzutreten. Der Himmel, der heute dunkel und pechschwarz erscheinen mag, verweist auf die Sonne, die aufgehen wird. Wir werden gegen alle Verdunkelungsversuche siegen, die freie Presse wird siegen. Grüße und Liebe.“
„Sie werden mit den Wahlen verschwinden“
Sedat Yılmaz betont, dass diejenigen, die mit Polizeioperationen Wahlkampf machen, durch die Wahlen verschwinden werden. Er schreibt: „Zunächst einmal möchte ich den Berufsverbänden für ihre Solidarität und ihre Bemühungen danken. Alle gegen mich erhobenen Vorwürfe beziehen sich auf Nachrichten, die ich in den 23 Jahren meines Berufslebens geschrieben und verantwortet habe. Informationen, die durch öffentliche Quellen zugänglich sind, sollen durch unnötige Polizeiarbeit kriminalisiert werden. Dabei versucht man, das Gericht mit einem geheimen Zeugen zu überzeugen, dessen Existenz nicht einmal gesichert ist und der mich nie kennengelernt hat. Das ist eine reine Wahlkampfoperation. Es ging sicher auch darum, dass ich mich entschlossen hatte, mich mit meinen inhaftierten Kolleg:innen zu solidarisieren. Diejenigen, die solche Operationen für ihren Wahlkampf benutzen, werden in den Wahlen untergehen. Viele Grüße und Liebe an alle.“