Haftstrafen gegen Journalisten im Istanbuler MIT-Prozess

Fünf von acht angeklagten Journalist*innen sind in Istanbul wegen Verstoß gegen das Geheimdienstgesetz zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.

Im Istanbuler Prozess gegen acht Journalist*innen, denen ihre Berichterstattung zum Tod eines Mitarbeiters des türkischen Geheimdienstes MIT in Libyen zur Last gelegt wird, sind am zweiten Verhandlungstag die Urteile gefällt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 19 Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Die Angeklagten gaben zu ihrer Verteidigung an, sich lediglich als Journalisten betätigt zu haben. Das Gericht verurteilte fünf der Angeklagten wegen Verstoß gegen das MIT-Gesetz zu mehrjährigen Haftstrafen.

Hülya Kılınç und Barış Pehlivan vom Online-Nachrichtenportal Oda TV wurden zu drei Jahren und neun Monaten verurteilt, Ferhat Çelik und Aydın Keser von der prokurdischen Zeitung Yeni Yaşam sowie Murat Ağırel von Yeniçağ zu jeweils vier Jahren und acht Monaten Freiheitsstrafe. Barış Terkoğlu und Eren Ekinci wurden freigesprochen. Das Verfahren gegen den mittlerweile in Deutschland im Exil lebenden Sozialanthropologen Erk Acarer wurde abgetrennt.

Das Gericht hob den Haftbefehl gegen die drei Beschuldigten auf, die noch in Untersuchungshaft waren. Kılınç, Pehlivan und Ağırel dürfen die Türkei jedoch nicht verlassen. Die Meldeauflagen für Ferhat Çelik und Aydın Keser, die bereits am ersten Verhandlungstag im Juni aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind, wurden ebenfalls aufgehoben.

Die Informationsfreiheit verteidigen

Aydın Keser nahm an der heutigen Verhandlung nicht teil, weil er sich in Corona-Quarantäne befindet. Ferhat Çelik sagte vor der Urteilsverkündung vor Gericht: „Ich finde es wichtig, an die Zeit unserer Verhaftung zu erinnern. In Idlib sind bei einem russischen Luftangriff 33 türkische Soldaten ums Leben gekommen. Es herrschte eine unglaublich militaristische Atmosphäre und die Medienorgane, die sich diesem Chor nicht anschlossen oder ihn kritisierten, wurden offen zum Angriffsziel erklärt. Wir sind verhaftet worden, nachdem regierungsnahe Schreiberlinge uns angegriffen haben. Aus unserem Artikel geht jedoch keine Straftatbestand hervor und selbst wenn wir uns anstrengen würden, könnten wir keine Spione werden.“

Die Demokratie werde in der Türkei mit Füßen getreten, führte Çelik weiter aus. Es werde versucht, die Opposition zu unterdrücken und die wenigen verbliebenen oppositionellen Medien mit Gerichtsprozessen, Verboten oder Geldstrafen zum Schweigen zu bringen. Als letztes Wort sagte der kurdische Journalist: „Welches Urteil das Gericht auch fällt, wir werden die Informationsfreiheit weiter verteidigen.“