Gericht nimmt Anklageschrift gegen Merdan Yanardağ an

Der Gerichtstermin ist der 4. Oktober. Wegen seinen Aussagen über den kurdischen Vordenker Abdullah Öcalan und die Isolationshaft auf Imrali wird dem Journalisten „Terrorpropaganda” und das „Loben von Verbrechen und Kriminellen“ vorgeworfen.

Wegen einer vieldiskutierten Aussage über die Haftsituation von Abdullah Öcalan muss sich der türkische Journalist Merdan Yanardağ ab 4. Oktober vor einem Gericht verantworten. In der am Freitag von der 30. Großen Strafkammer Istanbul angenommenen Anklageschrift wird dem Chefredakteur des oppositionellen Nachrichtensenders Tele1 „Propaganda für eine terroristische Organisation” und das „Loben von Verbrechen und Kriminellen“ vorgeworfen, teilte das Verteidigungsteam des 62-Jährigen mit. Dem Journalisten drohe demnach eine Freiheitsstrafe zwischen anderthalb und zehneinhalb Jahren.

Die Vorwürfe gegen Yanardağ stehen im Zusammenhang mit Äußerungen in einer Sendung im Juni, die unter anderem die Totalisolation des kurdischen Vordenkers Abdullah Öcalan auf der Gefängnisinsel Imrali betrafen. Der Journalist hatte angemerkt, dass diese Form der Inhaftierung den geltenden türkischen Gesetzen widersprechen würde. „Öcalan ist der am längsten inhaftierte politische Gefangene der Türkei. Wenn die normalen Vollzugsgesetze anwendbar wären, sollte er eigentlich freigelassen werden (...). Die gegen Abdullah Öcalan verhängte Isolation hat im Gesetz keinen Platz. Sie muss aufgehoben werden, denn wir können ihn weder sehen noch hören noch über ihn diskutieren. Wir wissen nicht, ob er zuschaut oder nicht.”

Öcalan werde als Geisel festgehalten, gleichzeitig werde mit ihm verhandelt, führte Yanardağ weiter aus und wies auf das strikte Kontaktverbot selbst zu seinen Anwält:innen und Familienangehörigen hin: „Abdullah Öcalan ist kein Mensch, den man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Er ist im Gefängnis fast zu einem Philosophen geworden, weil er nichts anderes tut als lesen. Er ist ein äußerst intelligenter Mensch, der die Politik richtig liest, sie richtig sieht und richtig analysiert.“

Die Anmerkungen Yanardağs hatte die Oberstaatsanwaltschaft Istanbul zum Anlass genommen, ein Verfahren nach Terrorparagrafen einzuleiten. Mit seinen Aussagen hätte der Journalist öffentliche Empörung ausgelöst, zitierten türkische Medien aus der Anklageschrift. Yanardağ hätte sich zu Schulden kommen lassen, „die Gewalt durch die Terrororganisation PKK/KCK“ zu legitimieren sowie zu fördern. Durch die Verherrlichung „eines rechtskräftig verurteilten Verbrechers als politische Geisel“ hätte er zudem zahlreiche Menschen „verletzt und zutiefst verstört“.

Yanardağ war am 26. Juni, nur wenige Stunden nach Ausstrahlung der Sendung „4 Fragen 4 Antworten” auf Tele1 von Beamten der Antiterrorpolizei im Sendegebäude in Istanbul festgenommen worden. Keine 24 Stunden später wurde Untersuchungshaft gegen den Journalisten im Foltergefängnis Silivri angeordnet. Gegen Tele1 ist derweil aufgrund der inkriminierten Äußerungen Yanardağs ein einwöchiges Sendeverbot verhängt worden. Die türkische Rundfunkaufsichtsbehörde RTÜK belegte den Sender auch mit einer Geldstrafe in Höhe von fünf Prozent der Werbeeinnahmen im Juni.