Die Generalstaatsanwaltschaft von Istanbul hat Anklage gegen sechs Journalist*innen erhoben, die aufgrund ihrer Libyen-Berichterstattung in der Türkei verhaftet wurden. Den Betroffenen wird die Offenlegung von Staatsgeheimnissen vorgeworfen. Wegen Verstoß gegen das Geheimdienstgesetz drohen ihnen bei einer Verurteilung zwischen acht und siebzehn Jahren Freiheitsstrafe. Grundlage der Anklage ist ein neuer Artikel im türkischen Strafgesetz, der „Verbrechen gegen den Nationalen Geheimdienst” regelt und explizit die Journalist*innen betrifft, die wegen ihrer Berichterstattung über Ankaras Kriegseinsätze in Libyen im Gefängnis sitzen.
Die Journalist*innen, bei denen es sich um Mehmet Ferhat Çelik und Aydın Keser von der pro-kurdischen Zeitung Yeni Yaşam, Murat Ağırel von Yeniçağ und Barış Pehlivan, Barış Terkoğlu und Hülya Kılınç vom Online-Nachrichtenportal Oda TV handelt, waren Ende Februar bzw. Anfang März verhaftet worden. Bei den Vorwürfen gegen sie geht es um Berichte über die Beerdigung von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienst MIT, die in Libyen getötet wurden, deren Tod aber bereits zuvor öffentlich thematisiert worden war – unter anderem nach einer entsprechenden Erklärung des türkischen Verteidigungsministeriums bei einer Pressekonferenz eines IYI-Partei-Abgeordneten im türkischen Parlament. Die Journalisten von Yeni Yaşam hatten sogar lediglich von Soldaten berichtet, die in Libyen ums Leben gekommen seien. Von MIT-Angehörigen war in ihrer Berichterstattung gar nicht die Rede.
Auch der mittlerweile in Deutschland lebende Exil-Journalist und Sozialanthropologe Erk Acarer sowie ein Mitarbeiter des Pressebüros der CHP-geführten Kommunalverwaltung der Kreisstadt Akhisar in der Provinz Manisa im Westen der Türkei werden im Rahmen des Verfahrens verdächtigt, Staatsgeheimnisse offengelegt zu haben. Wann der Prozess eröffnet wird, ist allerdings noch unklar.
Kampagne für Libyen-Berichterstatter
Die Journalisten-Initiative „Haberin var mı“ (türk. „Weißt du Bescheid“) hat für die inhaftierten Journalist*innen vor knapp einer Woche eine Briefkampagne gestartet und ruft über die sozialen Medien unter dem Hashtag #GazetecilereMektupVar zur Teilnahme auf, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen. Auf ihrem Twitter-Profil hat die Initiative Bilder von virtuellen Briefumschlägen mit den Adressen der Journalist*innen veröffentlicht. Zum Hintergrund der Aktion heißt es: „Sie sitzen im Gefängnis, weil sie die Öffentlichkeit informiert, die Wahrheit verbreitet und Fakten geliefert haben. Jetzt sind wir an der Reihe, zu schreiben.“