Der Journalistenverein DFG (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği) macht in seiner März-Bilanz zur Pressefreiheit in der Türkei auf die erschwerten Arbeitsbedingungen von Medienschaffenden in der Coronakrise aufmerksam. Ihre Aufgabe, die Öffentlichkeit über die laufenden Entwicklungen zu informieren, erfordere unter allen Umständen die Fortsetzung ihrer Arbeit, die Journalistinnen und Journalisten seien jedoch aufgrund unzureichender Schutzmaßnahmen einem hohen Risiko ausgesetzt.
Weiter heißt es in dem Bericht:
„Ende Februar und Anfang März sind mehrere Journalistinnen und Journalisten festgenommen und verhaftet worden. Sie wurden plötzlich aufgrund ihrer Berichterstattung zu dem zuvor öffentlich breit thematisierten Tod von MIT-Angehörigen in Libyen ins Visier genommen und mit Ermittlungsverfahren überzogen. Mitarbeiter*innen von Oda TV, Yeni Yaşam Gazetesi und Yeniçağ Gazetesi wurden im Rahmen dieser Ermittlungen verhaftet. Ihr einziges Verbrechen besteht darin, eine Tatsache der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die der Staat geheim halten wollte. Trotz Protest und Widersprüchen werden sie immer noch im Gefängnis festgehalten. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um einen schweren Schlag gegen die Presse- und Ausdrucksfreiheit.“
Diskriminierendes Vollzugsgesetz
Der DFG weist darauf hin, dass die verhafteten Journalisten nach der Antiterrorgesetzgebung verfolgt werden und daher nicht von der geplanten Änderung im Strafvollzugsgesetz profitieren können. Der Gesetzentwurf, der trotz breiter Kritik in dieser Woche im türkischen Parlament verabschiedet werden soll, sieht die Freilassung von ungefähr 90.000 Häftlingen vor und wird auch als „Corona-Amnestie“ bezeichnet. Politische Gefangene werden von der Änderung ausgenommen. „Das bedeutet, dass das Leben unserer Kolleginnen und Kollegen nicht zählt“, kommentiert der Journalistenverein und fordert eine unterschiedslose Anwendung des Gesetzes: „Alle politischen Gefangenen und insbesondere die inhaftierten Journalistinnen und Journalisten müssen sofort freigelassen werden.“
Verschärfte Repression in Corona-Zeiten
In dem Bericht des DFG wird festgehalten, dass seit Beginn der Coronakrise in der Türkei am 11. März verschärft gegen Berichte in den sozialen Medien vorgegangen wird. Gegen eine unbekannte Anzahl Medienschaffender und privater Nutzer der sozialen Medien wurden Ermittlungsverfahren wegen Beiträgen über die Pandemie eingeleitet, es kam zu Hunderten Festnahmen. „Der Staat lässt keine Gegenstimmen zu und will die gesamte Gesellschaft zum Schweigen bringen“, so der DFG.
März-Bilanz
Laut DFG befinden sich 103 Journalistinnen und Journalisten in der Türkei im Gefängnis. Im März wurden 15 Journalist*innen festgenommen und acht verhaftet. Gegen zwölf Journalisten wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet, ein Journalist wurde angeklagt, fünf Journalisten wurden zu Haftstrafen verurteilt, 18 Prozesse gegen Journalisten dauern weiter an.