Briefkampagne für inhaftierte Journalisten

Die Initiative „Haberin var mı“ hat eine Briefkampagne für sechs in der Türkei inhaftierte Journalisten gestartet, denen im Zusammenhang mit ihrer Libyen-Berichterstattung die Offenlegung von Staatsgeheimnissen vorgeworfen wird.

Die Journalisten-Initiative „Haberin var mı“ (türk. „Weißt du Bescheid“) hat für mehrere Journalist*innen, die wegen ihrer Libyen-Berichterstattung Anfang März in der Türkei verhaftet wurden, eine Briefkampagne gestartet. Über die sozialen Medien ruft die Initiative unter dem Hashtag #GazetecilereMektupVar zur Teilnahme an der Kampagne auf, um ein Zeichen der Solidarität zu setzen.

Die Journalist*innen, bei denen es sich um Mehmet Ferhat Çelik und Aydın Keser von der pro-kurdischen Zeitung Yeni Yaşam, Murat Ağırel von Yeniçağ und Barış Pehlivan, Barış Terkoğlu und Hülya Kılınç vom Online-Nachrichtenportal Oda TV handelt, waren Ende Februar bzw. Anfang März verhaftet worden. Ihnen wird vorgeworfen, Staatsgeheimnisse offengelegt zu haben. Konkret ging es um Berichte über die Beerdigung von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienst MIT, die in Libyen getötet wurden, deren Tod aber bereits zuvor öffentlich thematisiert worden war – unter anderem nach einer entsprechenden Erklärung des türkischen Verteidigungsministeriums bei einer Pressekonferenz eines IYI-Partei-Abgeordneten im türkischen Parlament. Die Journalisten von Yeni Yaşam hatten sogar lediglich von Soldaten berichtet, die in Libyen ums Leben gekommen seien. Von MIT-Angehörigen war in ihrer Berichterstattung gar nicht die Rede. Auch auf das Schicksal des Rûdaw-Korrespondenten Rawîn Stêrk, der Anfang März in Edirne verhaftet wurde, als er das Geschehen am Grenzübergang Pazarkule/Kastanies dokumentierte, nachdem die Türkei Tausende Schutzsuchende in Bussen an die Grenze brachte, macht „Haberin var mı“ mit der Kampagne aufmerksam.

Neue Justizreform macht Haftentlassung von Libyen-Berichterstattern unmöglich

Unterdessen wurde diese Woche ein Haftentlassungsantrag der Journalist*innen wegen Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus von einem Gericht in Istanbul abgelehnt. Um neben den politischen Gefangenen auch explizit die Freilassung der Libyen-Berichterstatter*innen zu verhindern, hatte die Regierungskoalition aus AKP und MHP ihrem im Parlament eingebrachten Gesetzentwurf für eine Justizreform kurz vor der Abstimmung vor einer Woche noch einen speziellen Artikel hinzugefügt, der „Verbrechen gegen den Nationalen Geheimdienst” regelt. Genau dieser Artikel betrifft aktuell die Journalist*innen, die wegen ihrer Berichterstattung über Ankaras Kriegseinsätze in Libyen im Gefängnis sitzen.

Teilnahme an der Kampagne

Die Initiative „Haberin var mı“ hat auf ihrem Twitter-Profil Bilder von virtuellen Briefumschlägen mit den Adressen der Journalist*innen veröffentlicht. Zum Hintergrund der Aktion heißt es: „Sie sitzen im Gefängnis, weil sie die Öffentlichkeit informiert, die Wahrheit verbreitet und Fakten geliefert haben. Jetzt sind wir an der Reihe, zu schreiben.“

Türkei: Gefängnis für Journalisten

Unter Erdogan ist die Türkei zu einem der weltweit größten Gefängnisse für Journalistinnen und Journalisten geworden. Nach Angaben des Journalistenvereins DFG (Dicle Fırat Gazeteciler Derneği) sind zurzeit 103 Journalist*innen sowie andere Medienschaffende in Haft.