Der türkische Regimechef Erdoğan versucht seit Tagen mehr Geld sowie politische und militärische Unterstützung für sein auf allen Ebenen angeschlagenes Regime der EU abzupressen. Dazu benutzt der Diktator Schutzsuchende als Druckmittel. Die EU selbst hat sich in dieses zynische Spiel hineinbegeben, indem sie den EU-Türkei-Deal vereinbarte, welcher gegen Milliardenzahlungen das Erdoğan-Regime dazu verpflichtete, die Grenzen mit allen Mitteln geschlossen und die Schutzsuchenden in der Türkei festzuhalten. Die Milliardenbeträge flossen jedoch zumindest in Teilen in NGOs und nicht direkt an das Regime. Nach Protesten der türkischen Regierung wurde ihr im vergangenen Jahr nach Neuverhandlungen mehr Kontrolle über die EU-Zahlungen gegeben, dies reicht dem AKP-Regime offenbar nicht, jetzt geht es um die volle Kontrolle der Gelder.
Außerdem hat sich die Türkei insbesondere dadurch, dass sie den Al-Qaida-Ableger HTS in Syrien nicht wie in Astana und Sotschi vereinbart bekämpft, sondern hochgerüstet und mit ihm gemeinsame Operationen gegen Syrien durchführt und in Frontalstellung zu Russland und dem Regime manövriert. Daher setzt sie alles daran, internationale Unterstützung, insbesondere aus der EU, wenn nötig auch durch Erpressung zu erhalten. Dies alles geschieht auf dem Rücken der Menschen, die nichts weiter als den Schutz und Sicherheit suchen, den sie in der Türkei nicht finden konnten.
Zehntausende Schutzsuchende an die Grenze gebracht
Tausende Schutzsuchende wurden vom Erdoğan-Regime in Bussen an die Grenze gebracht, während der staatliche Sender TRT auf Twitter in arabischer Sprache über Fluchtrouten nach Europa informierte. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) harren rund 13.000 Schutzsuchende bei Kälte auf der türkischen Seite der Grenze aus. Unter ihnen sind viele Kinder. Zahlreiche Männer, Frauen und Kinder sind zu Fuß unterwegs und versuchen, wieder zurück in ihre Heimat zu kommen. „Einige kündigten ihre Arbeit und ließen alles hinter sich, weil sie sicher waren, nach Europa zu kommen“, hieß es von der Uno-Organisation IOM.
Das griechische Innenministerium gab bekannt, dass es von den an der Grenze befindlichen Schutzsuchenden gerade mal 75 vorbei an Wasserwerfern und durch Tränengas über die Landesgrenze und 400 über die Seegrenze geschafft hätten. Der türkische Innenminister Soylu hatte zuvor von angeblich über 76.000 Schutzsuchenden an der türkisch-griechischen Grenze gesprochen.
Rassistische Mobilisierung in Griechenland
Die griechische Polizei hatte die Flüchtlinge am Grenzübergang Kastanies/Pazarkule am Samstag mit Tränengas und Wasserwerfern zurückgedrängt, daraufhin verteidigten sich einige der Schutzsuchenden mit Steinen.
Auf der griechischen Insel Lesbos ließen Faschisten der „Goldenen Morgenröte“ am Sonntag rund 50 Schutzsuchende in einem Schlauchboot im Hafen von Thermi nicht an Land, berichteten AFP-Fotografen. Die Faschisten schrien den Schutzsuchenden zu „Geht zurück in die Türkei“ und beschimpften einen Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Einige griffen die anwesenden Journalisten und Fotografen an. Journalisten wurden von Inselbewohnern geschlagen und Kameras ins Wasser geworfen. Erik Marquardt, ein EU-Parlamentarier der Grünen, wurden ebenfalls bedroht. „Es ist eine Frage der Zeit, bis es hier zu sehr ernsthaften lebensbedrohlichen Situationen für Geflüchtete, NGO-Mitarbeiter und Journalisten kommt“, sagte er. „Das ist ein europäisches Problem, wir müssen eine dauerhafte Lösung suchen und geordnete Asylverfahren durchführen. Wenn wir Erdogan vorwerfen, dass er die Menschen als Spielball benutzt, können wir sie nicht ebenfalls unmenschlich behandeln.“
Nahe des Strands von Skala Sykamineas beobachtete ein AFP-Fotograf, wie Griechen ein nicht mehr genutztes UN-Begrüßungszentrum für Flüchtlinge in Brand setzten. Eine weitere Gruppe versuchte unterdessen, einem Polizeibus mit Migranten mit Ketten und Steinen den Weg in das heillos überfüllte Lager Moria zu versperren, berichtete die griechische Nachrichtenagentur ANA.
Mitsotakis: Schutzsuchende „asymmetrische Bedrohung“
Das griechische Migrationsministerium gab bekannt, die Einreise von 9.600 Schutzsuchenden verhindert zu haben. Der griechische Ministerpräsident Mitsotakis kündigte martialisch an, den „Grad der Abschreckung an den Grenzen auf ein Maximum zu steigern“. Er bezeichnete die Flüchtlinge in Militärsprache als „asymmetrische Bedrohung für die Sicherheit des Landes“. Es würden für einen Monat keine Asylanträge illegal Eingereister angenommen. Mitsokakis forderte außerdem Unterstützung anderer EU-Mitgliedstaaten und verwies dabei auf den Artikel 78 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU. Dieser besagt, dass Maßnahmen zugunsten eines Mitgliedstaats beschlossen werden können, sollte dieser „aufgrund eines plötzlichen Zustroms von Drittstaatsangehörigen in einer Notlage“ sein.
Deutsches Appeasement gegenüber Erdoğan
Dies wäre die Gelegenheit gewesen, den schmutzigen EU-Türkei-Deal zu beenden. Stattdessen reagiert die EU mit Gewalt, Wasserwerfern, Tränengas und Aufrüstung der Grenzen. Bundeskanzlerin Merkel forderte einen Dialog gegenüber dem Erdoğan-Regime. Sie setzt offensichtlich alles daran, den EU-Türkei-Deal wieder aufleben zu lassen und scheint zu weiteren Konzessionen gegenüber Erdoğan bereit. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, EU und USA müssten „jetzt gemeinsam den Druck auf Assad und Putin erhöhen”.
Frontex rüstet Grenzen auf
Die EU-Grenzschutzagentur Frontex springt der griechischen Regierung bei der Abschottung der Grenze bei. Eine Frontex-Sprecherin teilte AFP mit, dass die EU-Grenzschutzbehörde auf Bitten Athens die Entsendung von zusätzlichen Beamten sowie von Ausrüstung dorthin veranlasst habe. Die Frontex-Alarmstufe für alle EU-Grenzen zur Türkei sei auf „hoch“ angehoben worden.
Pro-Asyl: Wasserwerfer und Gewalt gegen Schutzsuchende inakzeptabel
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt, forderte „eine an den Grundsätzen von Solidarität und Humanität orientierte europäische Lösung“. Die Menschen müssten von Deutschland und anderen EU-Staaten aufgenommen werden. „Wasserwerfer und Gewalt gegenüber Schutzsuchenden sind inakzeptabel“, erklärte er.