Die 34. Kammer des Istanbuler Strafgerichts hat die von der Staatsanwaltschaft eingereichte Anklage gegen acht Journalist*innen wegen Verstoß gegen das Geheimdienstgesetz angenommen. Die Istanbuler Oberstaatsanwaltschaft beschuldigt die Journalist*innen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Libyen.
Sechs der Beschuldigten - Mehmet Ferhat Çelik und Aydın Keser von der prokurdischen Zeitung Yeni Yaşam, Murat Ağırel von Yeniçağ und Barış Pehlivan, Barış Terkoğlu und Hülya Kılınç vom Online-Nachrichtenportal Oda TV - waren Ende Februar bzw. Anfang März verhaftet worden und befinden sich im Hochsicherheitsgefängnis Silivri in der Nähe von Istanbul. Auch der mittlerweile in Deutschland lebende Exil-Journalist und Sozialanthropologe Erk Acarer sowie ein Mitarbeiter des Pressebüros der CHP-geführten Kommunalverwaltung der Kreisstadt Akhisar in der Provinz Manisa im Westen der Türkei werden im Rahmen des Verfahrens beschuldigt, Staatsgeheimnisse offengelegt zu haben. Sie sind nicht im Gefängnis, gegen Erk Acarer liegt jedoch ein Haftbefehl vor.
Bei den Vorwürfen gegen sie geht es um Berichte über die Beerdigung von Mitarbeitern des türkischen Geheimdienst MIT, die in Libyen getötet wurden, deren Tod aber bereits zuvor öffentlich thematisiert worden war – unter anderem nach einer entsprechenden Erklärung des türkischen Verteidigungsministeriums bei einer Pressekonferenz eines IYI-Partei-Abgeordneten im türkischen Parlament. Die Journalisten von Yeni Yaşam hatten sogar lediglich von Soldaten berichtet, die in Libyen ums Leben gekommen seien. Von MIT-Angehörigen war in ihrer Berichterstattung gar nicht die Rede.
Grundlage der Anklage ist ein neuer Artikel im türkischen Strafgesetz, der „Verbrechen gegen den Nationalen Nachrichtendienst” regelt und explizit die Journalist*innen betrifft, die wegen ihrer Berichterstattung über Ankaras Kriegseinsätze in Libyen im Gefängnis sitzen. Den Beschuldigten droht eine Freiheitsstrafe zwischen acht und siebzehn Jahren.
Rechtsanwalt Hüseyin Ersöz, der Barış Pehlivan und Barış Terkoğlu vertritt, bezeichnete die Anklageschrift als „inhaltsleer, fern jeglicher Ernsthaftigkeit und widersprüchlich im Sinne der juristischen Technik“. Damit könne nicht eine Minute Haft gerechtfertigt werden. „Wir erleben einen weiteren Tag, an dem wir uns als Juristen schämen“, schrieb der Anwalt auf Twitter.