Die Generalstaatsanwaltschaft in der nordkurdischen Stadt Qoser (tr. Kızıltepe) hat Anklage gegen die Journalistin Öznur Değer erhoben. Der Korrespondentin der feministischen Nachrichtenagentur JinNews wird das „Aufstacheln und Aufhetzen der Bevölkerung zu Hass und Feindschaft” vorgeworfen.
Grundlage des Ermittlungsverfahrens sind demnach Berichte von Değer zum Mord an der kurdischen Familie Dedeoğulları Ende Juli in Konya. Auch in Beiträgen der Journalistin in Online-Netzwerken unter der Verwendung von Hashtags wie etwa „ Massaker an einer kurdischen Familie“, „Kein Nachbarschaftsstreit sondern rassistischer Mord“ sieht die Staatsanwaltschaft Kızıltepe einen Verstoß gegen Artikel 216 des türkischen Strafgesetzbuches als erfüllt. Der Paragraph entspricht nach deutscher Rechtsprechung der Volksverhetzung.
Öznur Değer weist die gegen die erhobenen Vorwürfe zurück. Ihre inkriminierten Beiträge stellten keine Volksverhetzung dar und seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Wann der Prozess gegen die Journalistin beginnen soll, ist unklar. Die Anklageschrift muss noch formell von einem Gericht angenommen werden.
Zuerst ermordet, dann Haus angezündet
Die sieben Mitglieder der ursprünglich aus Qers (tr. Kars) in Nordkurdistan stammende Familie Dedeoğulları waren 30. Juli in ihrem Haus in Konya-Meram von türkischen Nationalisten ermordet worden. Anschließend wurden mehrere Räume des Wohnhauses angezündet. Im Zusammenhang mit dem siebenfachen Mord sitzen neben dem Haupttäter Mehmet Altun zehn weitere Personen in Untersuchungshaft. Unter ihnen befinden sich die Eltern von Altun, seine Ehefrau und eine Schwester. Das Massaker an den Dedeoğullarıs soll in einer WhatsApp-Gruppe geplant worden sein. Die kurdische Familie war bereits am 12. Mai von einem aus rund sechzig Personen bestehenden Lynchmob in ihrem Haus überfallen und schwer verletzt worden. Sieben der Angreifer waren vorübergehend in Untersuchungshaft genommen und aus „Mangel an Beweisen“ wieder freigelassen und unter Polizeischutz gestellt worden.