Türkei verwehrt „Recht auf Hoffnung“ für Abdullah Öcalan

Laut der europäischen Menschenrechtskonvention müssen Gefangene die Aussicht auf ein Leben in Freiheit haben. Im Fall von Abdullah Öcalan setzt die Türkei das „Recht auf Hoffnung“ außer Kraft.

Im Fall von Abdullah Öcalan ist das „Recht auf Hoffnung“ außer Kraft gesetzt. Dies haben die Anwälte der Republik Türkei in einer Eingabe an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 26. August erklärt.

Zum Hintergrund: Am 18. März 2014 urteilte der EGMR, dass die Türkei mit der Verhängung einer nicht reduzierbaren lebenslangen Freiheitsstrafe gegen Abdullah Öcalan gegen das Verbot einer unmenschlichen und erniedrigen Behandlung und damit gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verstoßen hat. Öcalan, der 1978 die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gründete, war im Juni 1999, nur vier Monate nach seiner völkerrechtswidrigen Verschleppung aus Kenia in die Türkei, wegen „Hochverrats“ zum Tode verurteilt worden. Da die Türkei 2002 die Todesstrafe abgeschafft hat, muss Öcalan nun eine „verschärfte lebenslange Freiheitsstrafe“ absitzen, ohne jegliche Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Laut dem EGMR müssen lebenslänglich Verurteilte aber zumindest Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung haben. Die Strafe muss reduzierbar sein und einer Nachprüfung unterzogen werden können. Dies ist aber bei Öcalan und drei weiteren politischen Gefangenen (Hayati Kaytan, Emin Gurban und Civan Boltan), die erfolgreich vor dem EGMR geklagt haben, nicht der Fall. Zwar kann der türkische Präsident bei hohem Alter oder Krankheit eines Gefangenen eine vorzeitige Entlassung veranlassen. Auch das türkische Parlament verabschiedet hin und wieder Amnestien. Dies reicht jedoch nicht aus, damit „Lebenslängliche“ konkrete Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung haben, stellte der EGMR fest.

Die Entscheidung aus dem Jahr 2014 ebnete den Weg für die Einreichung von fünf Anträgen beim EGMR, in denen die Türkei aufgefordert wurde, die Haftbedingungen Öcalans zu lockern, darunter auch ein Antrag gegen die „verschärfte lebenslange Haftstrafe", die jede Möglichkeit der Freilassung ausschließt. Die so genannte verschärfte lebenslange Haftstrafe ersetzte im türkischen Recht die Todesstrafe im Rahmen der Bemühungen des Landes, die Kopenhagener Kriterien für den Beitritt zur Europäischen Union zu erfüllen, und fiel zeitlich mit Öcalans Verhaftung im Jahr 1999 und dem anschließenden Prozess zusammen.

Nachdem der EGMR um eine Stellungnahme zu diesen Anträgen ersucht hatte, legten die Vertreter der Türkei ein Dokument vor, in dem es heißt, dass eine bedingte Entlassung für Verurteilte, die zu einer schweren lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, zwar „in der Regel" möglich ist, bestimmte Straftaten jedoch von dieser Möglichkeit ausgenommen sind.

Abdullah Öcalan wird seit 1999 im Inselgefängnis Imrali isoliert. Sein Anwaltsteam hat seit über drei Jahren keinen Kontakt zu Öcalan und seinen drei Mitgefangenen. Zwischen 2011 und 2019 konnten die Anwältinnen und Anwälte des Rechtsbüros Asrin keinen Besuch auf der Gefängnisinsel abstatten. Das letzte Lebenszeichen von Abdullah Öcalan war ein kurzes Telefonat mit seinem Bruder am 25. März 2021.