Sicherheitsrisiko „moralische Unterstützung“

Weil ihm Mut gemacht und zur moralischen Unterstützung verholfen werden könnte, ist ein Brief der kurdischen Politikerin Leyla Güven an Mehmet Emin Özkan beschlagnahmt worden. Der 84-Jährige ist seit 1996 unschuldig im Gefängnis.

Der Fall Mehmet Emin Özkan ist eines von vielen tragischen Beispielen des in der Türkei praktizierten Feindstrafrechts. Der 84-Jährige aus Amed (tr. Diyarbakir) wurde 1996 als vermeintliches PKK-Mitglied wegen Mordes an einem türkischen General zu einer erschwerten lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Obwohl spätestens seit 2014 auch die türkischen Strafverfolgungsbehörden von seiner Unschuld überzeugt sind und sogar Staatsanwälte seine Entlassung forderten, muss Özkan im Gefängnis bleiben. Die Justiz begründet die Fortdauer seiner Haft mit dem Licê-Prozess, der noch beim Kassationshof anhängig ist – trotz schwerer Erkrankungen wie Alzheimer-Demenz, Gehörverlust, Atemschwäche, einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung und diversen Herzattacken.

Für zehntausende Häftlinge in der Türkei gehören Folter und Misshandlung zum Gefängnisalltag. In türkischen Vollzugseinrichtungen herrschen Willkür, Brutalität, Gesetzlosigkeit, physische wie psychische Folter. Besonders betroffen von diesem Gewaltregime hinter Gittern sind kurdische Gefangene, die aus politischer Motivation heraus inhaftiert oder verurteilt worden sind. Mehmet Emin Özkan ist nur einer von vielen, die diese zerstörerische und entwürdigende Realität Tag für Tag erleben müssen. Ein Augenblick ohne Sorgen bleibt ihnen verwehrt, selbst wenn es sich wie im Fall des mehrfachen Großvaters um einen Demenzkranken handelt.

So ist nun ein von der in Xarpêt (Elazığ) inhaftierten kurdischen Politikerin Leyla Güven an Özkan adressierter Brief beschlagnahmt worden. Zur Begründung richtete die Vollzugsleitung des Hochsicherheitsgefängnisses Typ D in Amed nur lapidar aus, das Schreiben könne Mut machen und zur moralischen Unterstützung verhelfen. Den Vorfall machte zuerst die HDP-Abgeordnete Meral Danış Beştaş öffentlich. Auf Twitter löste der Umgang der türkischen Behörden mit Özkan wieder eine Empörungswelle aus. Einige User schrieben, dass sogar eine Demenz-Erkrankung im Fall eines Kurden unbeachtet bliebe, um selbst einen Augenblick ohne Sorgen im traurigen Gefängnisalltag zu verhindern.