Samstagsmütter fordern Gerechtigkeit für Yusuf Erişti

Der linke Aktivist Yusuf Erişti ist 1991 in Istanbul in staatlicher Obhut verschwunden gelassen worden. Die Samstagsmütter kämpfen bis heute für Gerechtigkeit und fordern Aufklärung.

Seit 34 Jahren „verschwunden“

Die Samstagsmütter haben auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul Aufklärung über das Schicksal ihrer in staatlichem Gewahrsam verschwundenen Angehörigen und eine Bestrafung der Täter gefordert. Thema der 1042. Mahnwache der Initiative war der Fall von Yusuf Erişti, der vor 34 Jahren festgenommen wurde und danach nie wieder auftauchte. Die Vorsitzende der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD, Gülseren Yoleri, stellte die Geschichte vor.

Von Militärjunta gefoltert

Der politisch links gerichtete Türke Yusuf Erişti aus Reşadiye in der Provinz Tokat war nach dem Militärputsch im September 1980 verhaftet worden und hatte zwei Jahre im Gefängnis verbracht, wo er schwer gefoltert worden. Auch nach seiner Freilassung blieb er weiter unter Aufsicht der Polizei, wurde immer wieder vorübergehend festgenommen und misshandelt. Am 14. März 1991 war Erişti mit Freunden in Istanbul, wo er schon länger lebte, verabredet. Bei dem Treffen kam er jedoch nicht an. Er wurde noch auf dem Weg zum Treffpunkt festgenommen und zur politischen Polizei Gayrettepe gebracht. Das Revier galt damals als berüchtigtes Folterzentrum.

Anwältin kämpft um ihren Mandanten

Eriştis Anwältin Fethiye Pekşen wusste um den Umgang der Polizei mit ihrem Mandanten. Um nichts dem Zufall zu überlassen, erwirkte sie bei einem Staatssicherheitsgericht (DGM, mittlerweile abgeschafft) eine Besuchserlaubnis. Doch auf dem Revier zeigte man sich unbeeindruckt und verweigerte den Kontakt zu Erişti. Nachdem mehrere Versuche erfolglos verliefen, den Mandantenbesuch durchzuführen, stellte die Juristin am 29. März 1991 eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten. Nun leugnete die Polizei, Yusuf Erişti in Gewahrsam genommen zu haben.

Gülseren Yoleri kritisierte bei der Mahnwache, dass der Galatasaray-Platz als angestammter Kundgebungsplatz der Samstagsmütter trotz eines gegenteiligen Urteils des Verfassungsgerichtshofs und dem gestern erfolgten Freispruch gegen Mitglieder der Initiative nach einem jahrelangen politisch motivierten Prozess weiterhin abgesperrt ist. Damit würden sich Polizei und Innenministerium über die Justiz stellen, sagte die Rechtsanwältin | Foto © MA


Zeugen: Yusuf Erişti wurde schwer gefoltert

Tage später machten mehrere Personen, die am selben Tag wie Erişti festgenommen und sich inzwischen im Istanbuler Bayrampaşa-Gefängnis befanden, über ihre Rechtsvertretung öffentlich, den damals 30-Jährigen in die Gayrettepe-Wache gesehen zu haben. Yusuf Erişti sei schwer gefoltert worden, hieß es einstimmig. Einer der Zeugen gab an, am 17. März 1991 beobachtet zu haben, wie Erişti nach einer Foltertortur „komatös wirkend“ in eine Arrestzelle geschleift wurde. Im Mai desselben Jahres meldete sich ein Student aus Istanbul öffentlich zu Wort, der bei einer Demonstration zum Internationalen Tag der Arbeit festgenommen und tagelang in Gewahrsam gefoltert wurde. „Sie drohten mir an, mich auf die gleiche Weise wie Yusuf Erişti zu töten und verschwinden zu lassen. Niemand würde je erfahren, was mir passiert sei“, zitierten Zeitungen den jungen Mann.

Innenministerium leugnet Festnahme ebenfalls

Der kurdische Politiker Mahmut Alınak, der damals Abgeordneter der HEP/SHP war, fragte bei der türkischen Regierung nach dem Schicksal von Erişti. Die Antwort des damaligen Innenministers Abdulkadir Aksu lautete: „Yusuf Erişti wurde nicht festgenommen. Die in der Anfrage behaupteten Sachverhalte haben nichts mit der Realität zu tun.“ Weitere Schritte zur Aufklärung des Verbleibs des Mannes unternahmen die Angehörigen Eriştis. Sein Vater wandte sich an den damaligen Präsidenten und den Premierminister sowie alle im Parlament vertretene Parteien und wurde über dreißig Mal bei der Istanbuler Staatsanwaltschaft mit einem Antrag vorstellig, ein Ermittlungsverfahren zum Vermisstenfall seines Sohnes zu eröffnen. Doch seine Mühen waren vergeblich. Alle Anzeigen und Bitten blieben unbeachtet, es wurden keine Ermittlungen eingeleitet. Yusuf Erişti bleibt bis heute „verschwunden“.