Nordkurdistan: Gefängnisbericht prangert Missstände und Foltervorwürfe an

Ein Bericht zivilgesellschaftlicher Organisationen deckt massive Missstände in türkischen Gefängnissen auf. Die Rede ist von Überbelegung, mangelnder medizinischer Versorgung und entwürdigender Behandlung der Inhaftierten.

Menschenrechtsverletzungen in 20 Gefängnissen dokumentiert

Ein aktueller Bericht zivilgesellschaftlicher Organisationen dokumentiert schwere Missstände in 20 Gefängnissen in mehreren kurdischen Provinzen. Die Untersuchung, die im Januar und Februar durch 40 Besuche in Justizvollzugsanstalten in Amed (tr. Diyarbakır), Xarpêt (Elazığ), Ezirgan (Erzincan) und Erzîrom (Erzurum) durchgeführt wurde, legt gravierende Verletzungen grundlegender Rechte von Inhaftierten offen. Der vom Gefangenenhilfsverein TUAY-DER, der örtlichen Anwaltskammer, der Vereinigung freiheitlicher Jurist:innen (ÖHD) sowie dem Menschenrechtsverein IHD ausgearbeitete Report wurde am Freitag in Amed vorgestellt.

Überbelegung und Gesundheitsmängel

Ein zentrales Problem sei die Überbelegung: In einigen Hafteinrichtungen teilten sich zwei Personen ein einziges Bett. Gleichzeitig kritisiert der Bericht unzureichende medizinische Versorgung. Kranke Gefangene würden teils stundenlang in Transportfahrzeugen warten, Arztbesuche würden durch die Anwesenheit von Sicherheitskräften behindert, und notwendige Überweisungen ins Krankenhaus verzögerten sich. Zudem mangele es an Hygiene, und selbst Grundbedürfnisse wie Trinkwasser seien nicht flächendeckend gesichert.

NGO-Vertreter:innen bei der Vorstellung ihres Berichts 

Vorwürfe von Misshandlung und unmenschlicher Behandlung

Der Bericht dokumentiert auch Fälle von mutmaßlicher Folter und Misshandlung. Inhaftierte berichten von entwürdigenden Durchsuchungen bei Ein- und Ausführungen, darunter auch sogenannte Nacktdurchsuchungen. Wer sich dagegen wehre, sei Schikanen und Gewalt ausgesetzt. In einem Fall sei in einer Zelle für drei Personen nur eine Portion Essen ausgegeben worden. Auch überhöhte Preise in Gefängniskantinen und die mehrfache Erhöhung von Preisen innerhalb kurzer Zeit wurden beanstandet.

Eingeschränkter Zugang zu Bildung und Kommunikation

Der Bericht beschreibt auch Einschränkungen im Zugang zu Büchern, insbesondere in kurdischer Sprache, sowie die Zensur von Briefen. Inhaftierten seien persönliche Gegenstände entzogen und ohne rechtliche Grundlage Publikationen verweigert worden. Besonders für Frauen seien die Haftbedingungen unzureichend: Hygieneartikel seien nicht oder nur in mangelhafter Qualität verfügbar, was zu gesundheitlichen Problemen geführt habe.

Forderungen der Organisationen

Die Verfasser:innen des Berichts fordern unter anderem:

▪ die sofortige Beendigung von Misshandlungen und erniedrigender Behandlung,

▪ die Freilassung schwerkranker Gefangener,

▪ eine gesetzliche Anpassung der Strafvollzugsregelungen im Sinne des „Rechts auf Hoffnung“,

▪ menschenwürdige Unterbringung und medizinische Versorgung,

▪ transparente und unabhängige Kontrollmechanismen für Haftanstalten gemäß internationalem Standard.

Die Organisationen appellieren an die Regierung in Ankara, verbindliche Schritte zur Verbesserung der Haftbedingungen einzuleiten und die Empfehlungen internationaler Menschenrechtsabkommen umzusetzen.