Keine Fortschritte, anhaltende Verstöße
Der UN-Menschenrechtsrat hat die humanitäre Lage in der Türkei geprüft und die Regierung in Ankara scharf kritisiert. Vertreter:innen zahlreicher Staaten und unabhängige UN-Expert:innen bemängelten am Dienstag beim sogenannten „Universal Periodic Review“ vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf anhaltende Rechtsverletzungen und eine fehlende Umsetzung der bereits 2020 ausgesprochenen Empfehlungen.
In der Sitzung wurden insbesondere Einschränkungen der Meinungsfreiheit, politisch motivierte Gerichtsverfahren, die fehlende Unabhängigkeit der Justiz, Verletzungen von Minderheitenrechten und die inhumanen Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen als zentrale Problembereiche benannt.
Kritik aus zahlreichen Staaten
In den Redebeiträgen der UN-Mitgliedstaaten wurde die Türkei unter anderem dafür kritisiert, dass sie ihre Anti-Terror-Gesetzgebung weiterhin nutzt, um Oppositionelle, Journalist:innen und Menschenrechtler:innen zu verfolgen. Auch auf strukturelle Probleme wie politische Einflussnahme auf die Justiz, das Vorgehen gegen Demonstrationen, sowie mangelnde Presse- und Versammlungsfreiheit wurde deutlich hingewiesen. Mehrere Länder forderten eine Reform des Strafrechts, insbesondere im Hinblick auf die Definition von „terroristischen Straftaten“, um internationalen Standards zu genügen.
Türkische Delegation weist Vorwürfe zurück
Die offizielle türkische Delegation unter der Leitung von Mehmet Kemal Bozay, Vize-Außenminister und EU-Beauftragter, wies die Vorwürfe weitgehend zurück. Die Türkei habe in Bereichen wie Justiz, Gleichstellung und Strafvollzug zahlreiche Reformen umgesetzt, hieß es. Auf konkrete Kritikpunkte wie Foltervorwürfe, Einzelhaft und die Lage politischer Gefangener wurde jedoch kaum eingegangen. Stattdessen betonte die Delegation, dass sich alle Maßnahmen im Einklang mit internationalem Recht befänden.
UN-Bericht: „Rechtsverletzungen in zahlreichen Bereichen“
Ein parallel zur Sitzung veröffentlichter Bericht des UN-Menschenrechtsrats dokumentiert jedoch eine anhaltende Verschlechterung der Menschenrechtslage. Darin wird auf systematische Fälle von Folter, sexualisierter Gewalt sowie Misshandlung, die Verweigerung ärztlicher Untersuchung durch unabhängige Mediziner:innen und unzureichende Dokumentation von Misshandlungen in Gewahrsam oder Haft hingewiesen – besonders im Kontext von Anti-Terror-Einsätzen.
Auch die Isolationshaft in Hochsicherheitsgefängnissen, darunter die Situation des PKK-Gründers Abdullah Öcalan (ohne namentliche Nennung) auf der Gefängnisinsel Imrali, wird scharf verurteilt.
Weitere Kritikpunkte waren:
▪ Haftbedingungen: überfüllte Gefängnisse, unzureichender Zugang zu medizinischer Versorgung, Trinkwasser, Nahrung, Heizung und Frischluft.
▪ Frauenrechte: Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt, unzureichende Strafverfolgung, Rückzug aus der Istanbul-Konvention.
▪ Minderheitenrechte: Fortdauer ethnischer und religiöser Diskriminierung, insbesondere gegenüber Kurd:innen, Alevit:innen und Rom:nja.
▪ Kinder, Geflüchtete und Binnenvertriebene: ungleicher Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Sozialleistungen.
Umsetzung früherer Empfehlungen mangelhaft
Ein Bericht der Italienischen Föderation für Menschenrechte (FIDU) stellt der Türkei zudem ein schlechtes Zeugnis bei der Umsetzung der UPR-Empfehlungen von 2020 aus: Von insgesamt 216 Empfehlungen sei nur ein Bruchteil vollständig umgesetzt worden – konkret lediglich sechs.
Der vollständige UPR-Abschlussbericht zur Türkei 2025 wird in den kommenden Wochen veröffentlicht.
Universal Periodic Review
Die Lage der Menschenrechte in den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UN) wird seit 2007 regelmäßig im sogenannten Universal Periodic Review („Universelles Periodisches Überprüfungsverfahren“, kurz UPR) überprüft. Grundlage dafür sind die Charta der UN, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die vom jeweiligen Staat ratifizierten Menschenrechtsabkommen. Es handelt sich um einen kooperativen Mechanismus mit dem Ziel, die Verbesserung der Menschenrechtslage vor Ort und die Einhaltung der menschenrechtlichen Verpflichtungen zu fördern. Durchgeführt wird die Überprüfung in öffentlicher Sitzung und auf Grundlage von Staatenberichten, Berichten der UN-Menschenrechtsgremien sowie Stellungnahmen von nationalen Menschenrechtsinstitutionen und der Zivilgesellschaft.