Amed: NGOs fordern Reformen für kranke Gefangene

In Amed forderten NGOs und Angehörige von Gefangenen ein Ende willkürlicher Haftpraktiken und medizinischer Vernachlässigung. Ihre zentrale Forderung: ein umfassender Reformprozess für ein rechtstaatliches und menschenwürdiges Strafvollzugssystem.

„Rechtsstaat statt Willkür“

In Amed (tr. Diyarbakır) haben mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen auf die Situation kranker politischer Gefangener sowie auf verweigerte Haftentlassungen aufmerksam gemacht. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Vertreter:innen von den Gefangenenhilfsvereinen MED TUHAD-FED und TUAY-DER sowie der Juristenvereinigung ÖHD umfassende Reformen im Strafvollzug und ein Ende willkürlicher Entscheidungen in Haftanstalten.

Unter dem Motto „Leben verteidigen heißt Frieden aufbauen“ versammelten sich zahlreiche Gefangenenangehörige sowie Vertreter:innen politischer Parteien und NGOs vor dem Justizpalast im Zentrum von Amed. Die Organisationen betonten, dass eine menschenrechtsbasierte Reform dringend notwendig sei – insbesondere in Gefängnissen, wo die Missachtung grundlegender Rechte systematisch sei.

Schwere Vorwürfe gegen Strafvollzug

Ferat Köçeroğlu, Sprecher der ÖHD-Gefängniskommission, kritisierte in der gemeinsamen Stellungnahme insbesondere die Rolle des Instituts für Rechtsmedizin (ATK). Die dem Justizministerium unterstehende Einrichtung verhindere trotz ärztlicher Gutachten oft die Freilassung schwer erkrankter Gefangener: „Das ATK ist zu einem monopolartigen Gremium geworden, dessen Gutachten oft Monate auf sich warten lassen und die Gesundheitsversorgung von Gefangenen massiv behindern“, betonte der Anwalt.

Dutzende lebensbedrohlich erkrankte Gefangene

Laut Köçeroğlu sind allein in den Gefängnissen in Amed, Xarpêt (Elazığ), Erzirom (Erzurum) und Ezirgan (Erzincan) rund neunzig kranke Gefangene inhaftiert – teils mit lebensbedrohlichen Erkrankungen. Der Jurist kritisierte zudem, dass sich in den genannten Haftanstalten 31 Gefangene befänden, die trotz verbüßter Haftstrafe nicht freigelassen werden. Ursache seien laut Köçeroğlu „willkürliche Entscheidungen“ der sogenannten Aufsichts- und Verwaltungsausschüsse der Haftanstalten, die trotz fehlender juristischer Kompetenz über Entlassungen entscheiden, sowie „zweifelhafte Disziplinarstrafen“. Dies stelle eine Verletzung des Rechts auf Freiheit, Sicherheit und ein faires Verfahren dar, so Köçeroğlu.

Aufruf zu politischen Reformen

Neben juristischen Missständen wurde auch eine politische Dimension angesprochen: Köçeroğlu verwies auf die langjährige Isolationshaft des kurdischen Repräsentanten Abdullah Öcalan auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali hin. Dieser habe mehrfach seine Bereitschaft zu einem friedlichen Dialog signalisiert. Die Aufhebung seiner Isolationshaft sei daher auch im Kontext einer möglichen Friedenslösung für die Türkei zu sehen.

Parlamentarier fordert Schließung bestimmter Haftanstalten

Auch der DEM-Abgeordnete Serhat Eren ergriff das Wort und sprach von systematischen Menschenrechtsverletzungen in Gefängnissen der Türkei: „Kranke Gefangene werden durch staatliche Untätigkeit bewusst dem Tod überlassen. Besonders die sogenannten S- und Y-Typ-Gefängnisse sind Orte der Isolation und staatlichen Repression – sie müssen geschlossen werden.“

Eren plädierte für die Schaffung von Bedingungen, unter denen auch Öcalan aktiv zur Lösung der kurdischen Frage beitragen könne: „Ein nachhaltiger Friedensprozess ist nur möglich, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen in einen Dialog eingebunden werden – einschließlich Zivilgesellschaft, Medien und Intellektuellen.“ Die Aktion endete mit den Rufen „Es lebe der Widerstand in den Gefängnissen“ und „Recht, Gesetz, Gerechtigkeit“.