Der Menschenrechtler Ferhat Berkpınar befindet sich wieder auf freiem Fuß. Nach einer Woche in Polizeihaft in Semsûr (tr. Adıyaman) ordnete ein örtliches Gericht am Donnerstag die Freilassung des Kurden an, verhängte jedoch Meldeauflagen. Er muss nun regelmäßig bei den türkischen Behörden vorstellig werden und darf das Land nicht verlassen.
Ferhat Berkpınar ist Mitglied des Vorstands der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in Amed (Diyarbakır). Am Donnerstag vor einer Woche wurde er in Amed festgenommen und nach Semsûr gebracht. Grundlage ist ein von der dortigen Oberstaatsanwaltschaft geführtes Ermittlungsverfahren wegen vermeintlichen Terrorismusvorwürfen. Diese werden aus Fotos konstruiert, die Berkpınar mit seinem Cousin Volkan Bora zeigen. Der Guerillakämpfer kam im April 2017 bei türkischen Luftangriffen in Semsûr ums Leben. Auch Ferhat Berkpınars Bruder Fırat und zwei weitere HPG-Kämpfer sind im Zuge selbiger Bombardements gefallen.
Berkpınar machte während der Polizeihaft in der Antiterrorzentrale der Polizei Adıyaman von seinem Schweigerecht Gebrauch. Vor Gericht äußerte der Menschenrechtler zu den beanstandeten Fotos, 2015 im Zuge des Friedensprozesses zwischen dem türkischen Staat und der PKK ein Guerillacamp in Südkurdistan besucht zu haben. Grund der Reise sei seine Hoffnung gewesen, dort auf seinen Bruder Fırat Berkpınar zu treffen. Dieser hätte sich zuvor zusammen mit Volkan Bora der Guerilla angeschlossen. Im besagten Camp habe er jedich lediglich den Cousin getroffen, dabei seien auch die Fotos entstanden. Er selbst stehe in keinerlei Verbindung mit der PKK, erklärte Berkpınar nach Angaben seines Rechtsbeistands und wies die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück.
IHD: Kriminalisierung von Menschenrechtsarbeit
Die Festnahme von Berkpınar hatte bei Menschenrechtsorganisationen scharfe Kritik ausgelöst. Auch deshalb, weil die Räumlichkeiten des IHD von der Polizei durchsucht und wichtige Vereinsunterlagen beschlagnahmt worden waren. Der Vorstand hat daher eine Beschwerde beim „Rat der Richter und Staatsanwälte“ (HSK) eingelegt. Der Durchsuchungsbeschluss sei rechtswidrig, da die Tätigkeitsfelder im IHD ehrenamtlich besetzt würden und der Verein damit nicht als reguläre Arbeitsstätte zu werten gelte. Den türkischen Sicherheits- und Justizbehörden warf der IHD vor, mit dem Vorgehen gegen die Organisation wichtige Menschenrechtsarbeit kriminalisieren zu wollen.
Parallelen zum Fall Semra Güzel
Das Guerillacamp in Südkurdistan, in dem Berkpınar auf Bora traf, war 2014 auch von der HDP-Abgeordneten Semra Güzel aufgesucht worden. Güzel gehörte damals einer HDP-Delegation an, die mit der PKK im Rahmen des Friedensprozesses weitere Schritte zur Deeskalation besprechen sollte – mit staatlichem Wissen. Die Politikerin, die zugleich Ärztin ist, war mit Volkan Bora verlobt, bevor sich dieser der staatlichen Repression aufgrund seiner Tätigkeit als Korrespondent für die mittlerweile per staatlichem Dekret verbotene kurdische Nachrichtenagentur Diha entzog und zur Guerilla ging. Bei dem damaligen Zusammentreffen in dem Camp waren ebenfalls Fotos entstanden. Diese werden derzeit als Grund für einen Antrag zur Aufhebung der Abgeordnetenimmunität Güzels herangezogen.