Der kurdische Politiker Bekir Kaya ist mit dem Versuch seine Haftstrafe unter Terrorvorwürfen anzufechten gescheitert. Der türkische Kassationshof hat eine Revision seiner Verurteilung wegen vermeintlicher PKK-Mitgliedschaft und der Teilnahme an illegalen Demonstrationen in allen Punkten abgewiesen und damit die Entscheidung der Justiz aus zweiter Instanz bestätigt. Kaya bleibt jetzt nur noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, da die nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft sind.
Im November 2016 wurde der heute 44-jährige Bekir Kaya, damals noch Oberbürgermeister der nordkurdischen Großstadt Wan für die DBP, auf Betreiben des Innenministeriums seines Amtes enthoben und anschließend verhaftet. Knapp zwei Jahre später verurteilte ihn ein Strafgericht in Wan unter anderem wegen „Mitgliedschaft, Unterstützung und Beihilfe“ in einer beziehungsweise für eine Terrororganisation zu einer Haftstrafe von acht Jahren und drei Monaten. Das Gericht begründete das Urteil mit der Teilnahme Kayas an Demonstrationen, die trotz behördlicher Anweisungen nicht aufgelöst wurden, seiner Tätigkeit im Verein zur Bekämpfung von Armut und nachhaltigem Aufschwung (VAN-DER), Kondolenzbesuchen bei Angehörigen von zivilen Opfern der türkischen Staatsgewalt und der Behauptung eines „geheimen Zeugen“, wonach Kaya „Unmengen von Bargeld“ zur PKK in die Qendîl-Berge geschafft habe. Darüber hinaus wurde Kaya vorgehalten, im Landkreis Şax (Çatak) den Bau einer Brücke in Auftrag gegeben zu haben, die „explizit der Guerilla“ zugutegekommen sei. Begründet wurde der Vorwurf damit, dass sich die Brücke in „gebirgigem Gelände“ befindet. Somit sei definitiv ausgeschlossen worden, dass sie der Zivilbevölkerung diene.
Begründung der Berufungsrichter ausreichend
Im Januar 2020 bestätigte ein Berufungsgericht in Erzîrom das Urteil gegen Kaya in erster Instanz. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Kaya im Einklang mit Befehlen der „Terrororganisation PKK-KCK“ gehandelt und deshalb eine organische Bindung zu dieser gebildet habe – auch deshalb, da schließlich weitere Verfahren mit ähnlichen Tatvorwürfen gegen den Politiker anhängig seien. Daraus lasse sich schließen, dass die Strafe gegen ihn hinreichend begründet und gerechtfertigt sei. Die Verteidigung Kayas hatte dagegen ins Feld geführt, dass mit dem Urteil die legale kurdische Kommunalpolitik kriminalisiert werde. Bei keinem einzigen Vorwurf habe es sich um eine Straftat gehandelt. Zudem war es dem Rechtsbeistand Kayas gelungen, die Aussagen des vermeintlichen Zeugen der Anklage, der Politiker hätte „sowohl monatlich als auch jährlich Geldbeträge von seiner Belegschaft in der Stadtverwaltung abgeknüpft“ und diese „in Säcken“ an die PKK weitergeleitet, als „unwahr und erfunden“ zu enttarnen. Dennoch heißt es in dem Urteil, dass es „keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage“ gebe. Der Kassationshof, der Urteile im formell auf Verstöße gegen Rechtsprinzipien prüft und keine erneute Tatsachenbeurteilung durchführt, kam nun zu dem Schluss, dass die Vorinstanzen keine Verfahrensfehler begangen hätten.
Bekir Kaya: Es geht um die Zerschlagung einer politischen Bewegung
Bekir Kaya, der selbst Jurist ist, hatte im Verlauf des Prozesses abgelehnt, sich zu verteidigen. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien eine Rechtfertigung seinerseits nicht wert und stellten eine Beleidung des Rechtswesens dar. Seine Verhaftung sei fern von juristischer Legitimität und politisch motiviert, es ginge um die Zerschlagung einer politischen Bewegung. „Wir sind mit einer gesellschaftlichen Frage konfrontiert. Es gibt kein kurdisches Problem; hier geht es um das Problem der Aneignung von Ansprüchen der kurdischen Bevölkerung”, sagte Kaya damals. Es sei ein ganzes Volk, über das in seiner Person ein Urteil gefällt werden soll. Deshalb wäre es völlig unwichtig, ob ihm eine Strafe auferlegt werde oder nicht. „Ich weiß sehr wohl, dass sich die aus meiner Inhaftierung resultierenden Nachteile letztendlich zu einem gesellschaftlichen Vorteil entwickeln werden. Aus diesem Grund ist es unbedeutend, wie das Gericht entscheidet. Davon bin ich überzeugt“, hatte Kaya erklärt.