„Isolation Abdullah Öcalans ist eine Systemfrage“

Die Freiheitliche Juristenvereinigung (ÖHD) prangert an, dass 71 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der auch die Türkei zugestimmt hatte, von ihr immer noch die grundsätzlichsten Menschenrechte täglich verletzt werden.

Abdullah Öcalan ist 1999 völkerrechtswidrig aus Kenia an die Türkei ausgeliefert worden und wird seitdem im Hochsicherheitsgefängnis Imrali in Isolationshaft festgehalten. Seit dem 7. August 2019 hat er nicht mehr mit seinem Anwaltsteam gesprochen, seinem Bruder Mehmet Öcalan wurde am 12. August ein letztes Mal Zugang zum PKK-Gründer gewährt. Jeglicher Besuchsantrag danach wurde entweder abgelehnt oder nicht beantwortet. Öcalan ist erneut einer strikten und völligen Isolation ausgesetzt.

Die Freiheitliche Juristenvereinigung (Özgürlük için Hukukçular Derneği, ÖHD) veranstaltete aus diesem Anlass in Amed (Diyarbakir) eine Pressekonferenz, um auf die Situation in dem Inselgefängnis im Marmarameer aufmerksam zu machen. An der Zusammenkunft nahmen unter anderem die HDP-Abgeordneten Remziye Tosun, Musa Farisoğulları, der Bevollmächtigte Öcalans, Mazlum Dinç, der Provinzleitungsrat und der Jugendrat der HDP, die 78er-Initiative, der Demokratische Islamkongress und Mitglieder des ÖHD teil.

Der Anwalt Berdan Acun, der im Vorstand der ÖHD sitzt, erklärte, dass auch 71 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, welcher auch die Türkei zugestimmt hatte, von ihr immer noch die grundsätzlichsten Menschenrechte täglich verletzt werden. Die Liste der in der Türkei alltäglichen Menschenrechtsverletzungen wird von Verstößen wie Isolation, Verweigerung des Rechts auf Leben, Folter, Misshandlung, der Assimilation von Sprache und Kultur, Feminizid, Kindesmissbrauch, religiöser Unterdrückung und Straflosigkeit angeführt. Die schwersten Rechtsverletzungen in Haft finden auf Imrali statt. Sowohl der Luftraum über der Insel als auch das Meer um die Insel gelten kilometerweit als Sperrgebiet. Öcalan und seine drei Mitgefangnen sind vollkommen isoliert. 

Isolation ist Systemfrage

Acun betonte, dass die Situation auf Imrali eng mit der Systemfrage einher gehe und vermeintliche „Sicherheitsbedenken“ nicht der Hauptgrund für Öcalans Isolation seien. „Es geht um Trennung, Entfremdung, Vereinzelung, Bestrafung und den Versuch Gehorsam zu erzwingen. In diesem Sinne handelt es sich um kein Strafregime, sondern um eine Herrschaftstechnik. Diese Technik hat nichts mit Recht oder Demokratie zu tun. Die Isolation betrifft nicht nur den Gefangenen, sie betrifft vor allem die Familien und die gesamte Gesellschaft. Während auf den Gefangenen drinnen Druck aufgebaut wird, wird versucht, die Menschen draußen zu manipulieren und insbesondere Einfluss auf die Bevölkerung zu gewinnen“, sagte Acun.

Vergleich mit Guantanamo

Der Anwalt erinnerte daran, dass ein britisches Berufungsgericht die Lage von Guantanamo-Gefangenen als „in einem juristischen schwarzen Loch befindlich” bezeichnete, und fuhr fort: „Seitdem wurde für Guantanamo immer wieder der Begriff ein ‚juristisches schwarzes Loch’ verwendet. Imrali ist genau wie Guantanamo ein schwarzes Loch.”

„Öcalan wird daran gehindert, seine Rechte wahrzunehmen”

Acun führte weiter aus, dass die Kommunikation eines jeden Gefangenen mit seiner Familie, seinen Anwälten und der Außenwelt rechtlich garantiert ist. „Seit Jahren kann er allerdings im Imrali-Gefängnis diese Rechte nicht wahrnehmen. Diese Rechte nutzen zu können, ist kein Zugeständnis, sondern eine Verpflichtung. Das Recht kann sich nicht der Regierung, der Partei oder Person entsprechend ändern. Daher ist jeder verpflichtet, das Gesetz zu befolgen. Das Recht gilt für alle. Wir rufen die Öffentlichkeit zur Aufmerksamkeit auf, damit diese rechtswidrige Praxis endet.“