IHD: LGBTIQ-Aktivist droht Abschiebung in den Iran

Einem aus Iran stammenden LGBTIQ-Aktivisten droht die Ausweisung in sein Heimatland. Nach Angaben des IHD wurde Elyas Torabiba-Eskandari am Sonntag bei einer Pride-Parade in Istanbul festgenommen. Seitdem befindet er sich in Abschiebehaft.

Einem aus Iran stammenden LGBTIQ-Aktivisten droht die Abschiebung in sein Heimatland. Wie der Menschenrechtsverein IHD am Freitag mitteilte, ist Elyas Torabiba-Eskandari am vergangenen Sonntag bei einer Pride-Parade in der Bosporus-Metropole festgenommen und in Abschiebehaft genommen worden. Nach einem mehrstündigen Aufenthalt im Polizeirevier im Stadtteil Beyoğlu wurde Torabiba-Eskandari zunächst in das Abschiebezentrum der türkischen Migrationsbehörde in Tuzla gebracht. Mittlerweile wird er in einer identischen Einrichtung in der Grenzprovinz Riha (tr. Urfa) festgehalten.

„Weder dem IHD noch der juristischen Vereinigung ÖHD ist es bisher gelungen, persönlichen Kontakt zu Elyas Torabiba-Eskandari herzustellen“, sagte die Menschenrechtlerin Oya Ersoy von der Istanbuler IHD-Zweigstelle. Die Behörden in dem Abschiebezentrum würden den Zugang zu anwaltlicher Rechtsberatung willkürlich verhindern. Der IHD befürchtet nicht nur, dass der Aktivist ausgewiesen wird, sondern auch, dass ihm in Iran massive Verfolgung droht.

Nach Gewalt, Haft und Folter geflüchtet

Elyas Torabiba-Eskandari ist vor zehn Jahren zusammen mit seiner Mutter aus Iran geflüchtet. Beide wurden nach Angaben des IHD in ihrem Heimatland Opfer von staatlicher Gewalt, willkürlichen Inhaftierungen und Folter. Seit ihrer Flucht im Jahr 2013 leben sie in der Türkei – allerdings genießen sie dort nicht den vollen Flüchtlingsschutz im Sinne der Genfer Konvention, sondern haben nur einen sogenannten bedingten Flüchtlingsstatus. Dennoch würde eine Abschiebung gegen das Refoulement-Verbot verstoßen, also dass Flüchtlinge nicht in Länder abgeschoben werden dürfen, in denen ihr Leben in Gefahr ist. Der IHD dokumentiert jedoch regelmäßig Abschiebungen von Flüchtlingen aus der Türkei in den Iran, aber auch nach Syrien und den Irak, wo sie in Lebensgefahr sind.

Homosexuellen droht in Iran rigide Verfolgung bis hin zur Todesstrafe

Oya Ersoy hat sich im Rahmen einer Pressekonferenz unter anderem an das Innenministerium gewandt, um gegen die geplante Abschiebung von Torabiba-Eskandari zu intervenieren. „Homosexuellen droht wie auch politisch Verfolgten eine rigide Verfolgung bis hin zur Todesstrafe“, betonte die Menschenrechtlerin. „Wir sind äußerst besorgt um die Sicherheit und das Wohlbefinden von Elyas und befürchten, dass er in türkischer Polizei- bzw. Abschiebehaft gefoltert worden sein könnte.“ Man wisse von weiteren Betroffenen der Festnahmen im Zuge der Pride-Parade, dass die Polizei sie siebzehn Stunden lang ohne Nahrung und Wasser in einer Zelle darben ließ. „Umso mehr besorgt uns, dass wir keine Informationen über seinen derzeitigen Aufenthaltsort haben“, so Ersoy. Ashraf Abudzadeh Barayhi, die Mutter des Aktivisten, appellierte an die Behörden, ihren Sohn umgehend freizulassen.

Pride trotz Verbot

Die Istanbuler Polizei war am Sonntag rigoros gegen Teilnehmende des Pride-March zur Unterstützung von schwulen, lesbischen, bisexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LGBTIQ) und ihren Rechten im Rahmen der LGBTIQ-Pride-Woche vorgegangen. Weite Teile des Stadtzentrums waren bereits im Vorfeld abgeriegelt worden, um die behördlich verbotene Demonstration zu verhindern. Die Teilnehmenden wichen daraufhin auf das Nobelviertel Nişantaşı im Bezirk Şişli aus. Sie ließen eine meterlange Regenbogenflagge von einem Gebäude wehen und verlasen eine Presseerklärung.

Über hundert Festnahmen

Nach Angaben des Veranstaltungskomitees nahm die Polizei mehr als hundert Demonstrierende teils unter massiver Gewalt vorübergehend fest. Unter ihnen befanden sich neben Elyas Torabiba-Eskandari auch vier weitere nicht-türkische Staatsangehörige, die ebenfalls in verschiedene Abschiebezentren gebracht worden sein sollen. Dabei handelt es sich um Personen aus Libyen, Russland, Portugal und Australien. Ob sie bereits ausgewiesen worden sind, war bis zuletzt unklar. Auch in ihrem Fall scheiterten Versuche von Anwält:innen, ihren Aufenthaltsort herauszufinden und Kontakt aufzunehmen.

Behörden: Queere Menschen bedrohen „Familie“

In der Türkei äußern sich Regierungsvertreter und Präsident Recep Tayyip Erdoğan immer wieder offen feindlich gegen LGBTIQ. Der Gouverneur der Provinz Istanbul, Davut Gül, hatte bereits im Vorfeld angekündigt, Aktionen der queeren Community, die die „Familie bedrohen“, nicht zulassen zu wollen. Mehrere Veranstaltungen in Zusammenhang mit dem Pride-Monat zur Sichtbarmachung von LGBTIQ waren untersagt worden, darunter etwa ein Picknick und eine Filmvorführung. 2014, ein Jahr nach den regierungskritischen Gezi-Protesten, hatten noch mehr als 100.000 Menschen in Istanbul an der Pride teilgenommen. Dem Verbot ein Jahr später zum Trotz wird jedes Jahr dennoch demonstriert. 2022 endete das ebenfalls mit massiver Polizeigewalt und etwa 200 Festnahmen.