Istanbul: Festnahmen bei Vorführung von „Pride“

Die türkische Polizei hat in Istanbul die Vorführung des britischen Films „Pride“, in dem der gemeinsame Kampf von Minenarbeiter:innen und LGBTI+-Aktivist:innen dargestellt wird, umstellt und mehrere Zuschauer:innen und Veranstalter:innen festgenommen.

Am Mittwochabend ging die türkische Polizei gegen eine Vorführung des Films „Pride“ vor und nahm mehrere Teilnehmer:innen fest. Auf Einladung des Kinokollektivs der Stiftung für Wissenschaft, Ästhetik, Kultur und Kunstforschung (BEKSAV) hatten sich viele Menschen im Gebäude der Stiftung versammelt, um im Rahmen des LGBTI+-Pride-Monats den britischen Film „Pride“ zu sehen. Der Spielfilm „Pride“ erzählt von der Initiative „Lesbians and Gays Support the Miners“, einer Gruppe LGBTI+-Aktivist:innen, die 1984 gemeinsam mit Bergleuten gegen die neoliberale Politik des Thatcherismus kämpften.

Kurz vor Beginn der Vorführung umstellte die türkische Polizei das Gebäude und erklärte, die Veranstaltung sei vom Bezirksgouverneursamt Istanbul-Kadıköy verboten worden. Das Kino-Kollektiv hatte zuvor zum Verbot erklärt: „Der Pride-Monat ist da und schon stehen sie mit Verboten vor unseren regenbogenfarbigen Türen! Das Bezirksgouverneursamt von Kadıköy hat beschlossen, die Vorführung des Films ‚Pride‘, den wir uns an diesen Abend gemeinsam im Garten von BEKSAV ansehen wollten, zu verbieten. Wir werden den Film trotzdem zeigen. Denn was zum Teufel soll hier verboten werden?! Es geht um einen Film, kann man so etwas verbieten? Wir rufen alle Kinoliebhaber:innen, LGBTI+-Personen und unsere Freund:innen zur Solidarität gegen eine möglichen Angriff auf. Als BEKSAV-Kino-Kollektiv informieren wir die Öffentlichkeit und alle, die die Abendvorstellung besuchen wollen, dass wir das Verbot nicht akzeptieren werden. Gewöhnt euch daran, wir sind da!“

Die Polizei ging gegen die Teilnehmer:innen vor und nahm mehrere Anwesende fest, unter ihnen auch Vorstandsmitglieder von BEKSAV, . Die Festgenommenen wurden im Laufe der Nacht wieder entlassen.

Wir verteidigen den Regenbogen gegen die LGBTI+-Feindlichkeit der Regierung“

BEKSAV protestierte entschieden gegen diesen Polizeiangriff und erklärte: „Heute, vor der Vorführung des Films ‚Pride‘ des BEKSAV-Kino-Kollektivs, wurde das Stiftungsgebäude von der Polizei umstellt. Mitglieder von BEKSAV und des Kino-Kollektivs sowie viele unserer Freund:innen, die zur Vorführung gekommen waren, wurden festgenommen. Wir verteidigen die Regenbogenfarben gegen die LGBTI+-Feindlichkeit der Regierung.“

Weiteres Verbot in Şişli – Vorführung von Diren Ayol durchgesetzt

Auch in Şişli hatte das Gouverneursamt die Vorführung eines Films im Rahmen der Pride-Week verboten. Der Film „Diren Ayol“ (Resista Ayol) sollte vom feministischen Universitätskollektiv gezeigt werden. Diren Ayol begleitet die Trans*-Aktivistin Sevval Kilic während des 21. Istanbuler LGBTI+Pride zur Zeit des Gezi-Aufstands. Diese Dokumentation würde nach Ansicht des Gouverneursamts Empörung in der Gesellschaft hervorrufen, das nationale Empfinden und die menschlichen Werte verletzen und den sozialen Frieden gefährden. Der Film dürfe weder im öffentlichen Raum noch in geschlossenen Räumlichkeiten gezeigt werden. Das feministische Kollektiv der Universität erkannte das Verbot nicht an und veranstaltete dennoch am 6. Juni die Vorführung. Universitätsfrauen und Qeer-Aktivist:innen erklärten: „Ihr habt sogar Angst davor, dass Frauen und LGBTI+ zusammenkommen, um einen Film zu anzuschauen. Trotz des Verbots, gewöhnt euch daran, wir sind hier, gewöhnt euch daran, wir sind zusammen!“.

Erdoğan-Regime auf heteronormativer Hasspolitik aufgebaut

Das AKP/MHP-Regime hat sein LGBTI+-feindliches Profil im Wahlkampf weiter verschärft und scheint dies nach gewonnener Wahl nun in alle Brutalität umsetzen zu wollen. Erdoğan propagierte systematisch die „Heiligkeit der Familie“ und kündigte an, seine Regierung werde „aktiv gegen perverse Tendenzen wie LGBT vorgehen“. Gleichzeitig verbreitete er Verschwörungstheorien von LGBTI+Unterwanderungsversuchen und brachte nichtheteronormative Identitäten in einen Kontext mit „Terroristen“. Das aktuelle Vorgehen lässt weitere Angriffe im Pride-Monat befürchten.