Erdoğan will „gegen perverse Tendenzen wie LGBT“ vorgehen

Der türkische Staatschef Erdoğan macht wieder Stimmung gegen queere Menschen. Wenige Wochen vor den Wahlen spricht er neue Drohungen in Richtung der LGBT-Community aus und kündigt eine „Bank für das Wohl von Familie und Jugend“ an.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan macht wieder Stimmung gegen queere Menschen. Wenige Wochen vor den Wahlen in der Türkei sprach der Regimechef neue Drohungen in Richtung der LGBT-Community aus. „Wir werden aktiv gegen perverse Tendenzen wie LGBT vorgehen, die unsere Familienstruktur bedrohen“, sagte Erdoğan am Dienstagabend im Staatssender TRT. Den Oppositionsparteien HDP und CHP machte der Präsident hingegen einen Vorwurf daraus, sich für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans Menschen auszusprechen.

Erdoğan erhofft sich offenbar, mit einer „Bank für das Wohl von Familie und Jugend“ die von ihm propagierten „traditionellen Familienwerte“ zu stärken. Von der geplanten Gründung solch einer „Gemeinwohlbank“ sprach er vor wenigen Tagen bei der im Fernsehen übertragenen Vorstellung der Liste von Kandidierenden seiner islamistischen AKP bei der Parlamentswahl.

„Um unsere jungen Menschen zu ermutigen, eine Familie zu gründen, werden wir sie in allen Bereichen von der Ausbildung bis zur Beschäftigung, von der Heirat bis zur Kinderbetreuung finanziell unterstützen.“ Finanziert werden solle das Ganze mit den Steuereinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft. „Wir werden neu verheirateten Paaren ein zinsloses Heiratsdarlehen in Höhe von 150.000 Lira mit einer Laufzeit von 48 Monaten und einer tilgungsfreien Zeit von zwei Jahren gewähren“, kündigte Erdoğan an.

LGBT ist die englische Abkürzung für lesbisch, schwul, bisexuell und Transgender. Oft werden auch die Varianten LGBTQ, LGBTQI oder LGBTQIA+ verwendet. Jeder Buchstabe steht für die eigene Geschlechtsidentität oder die sexuelle Orientierung. Erdoğan, seine regierende AKP sowie ihr Partner, die ultranationalistische MHP, tragen ihre homo- und transfeindliche Gesinnung offen zur Schau und finden damit Anklang in ultrakonservativen Wählerkreisen. Auch Erdoğan profilierte sich zuletzt vermehrt mit Queerfeindlichkeit: So sagte er letzten Herbst, er wolle queere Menschen „ausbremsen“. Kurz vor Weihnachten kündigte er vor der Frauenorganisation der AKP-Jugend an, die „große Bedrohung“ durch LGBT-Personen nach den Wahlen „so Gott will“ mit „unseren Ministerien und Nichtregierungsorganisationen energischer“ zu bekämpfen.

Schwierige Lage für LGBT-Community in der Türkei

Durch die patriarchale und heteronormative Haltung des AKP/MHP-Regimes wird jede Form von Identität jenseits des Weltbilds von Erdoğan und Konsorten angegriffen. Dies betrifft insbesondere LGBT und andere queere Identitäten. Seit 2015 untersagt die Istanbuler Stadtverwaltung die jährliche Pride-Parade, auch andere Städte verbieten den Marsch inzwischen regelmäßig – weil er angeblich gegen die „allgemeine Moral und die guten Sitten“ verstoßen würde. 2022 war die Gewalt gegen LGBT-Personen, die sich trotz behördlichen Verboten zur Pride versammelten, besonders brutal, wie etwa in Istanbul und Ankara. Tausende Anhänger:innen von konservativen und rechtsextremen Gemeinden, Gruppen und Orden dagegen wurde erlaubt, mit homo- und transphoben Märschen ihre Ablehnung der LGBT-Community zu demonstrieren. Den Austritt aus der Istanbul-Konvention zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen 2021 rechtfertigte die Regierung etwa damit, dass das Abkommen Homosexualität normalisiere.