Istanbuler Behörden verbieten CSD-Woche

Behörden in Istanbul haben alle Veranstaltungen anlässlich der 30. Pride-Woche untersagt. Das Verbot diene dem „Schutz von Frieden, Sicherheit und der Gesundheit“, heißt es zur Begründung. Radikale Gegenproteste von Islamisten hingegen sind erlaubt.

Vor der für kommenden Sonntag geplanten CSD-Demonstration in Istanbul anlässlich der 30. Pride-Woche haben die Behörden der Bezirke Beyoğlu und Kadıköy nicht nur wie in den Vorjahren die Demo, sondern alle Veranstaltungen im Vorfeld im öffentlichen und geschlossenen Raum untersagt. Das Verbot diene dem „Schutz von Frieden, Sicherheit und der Gesundheit“, heißt es etwa in einer Anordnung des Landratsamtes von Kadıköy. Die Behörde in Beyoğlu macht in einer Verbotsverfügung sogar geltend, dass die „öffentliche Ordnung“ bei Durchführung der Veranstaltungen unmittelbar gefährdet werden könnte. Das habe eine von ihr angestellte Gefahrenprognose ergeben. Zudem bestünden Bedenken, dass die CSD-Woche die Rechte und Freiheiten anderer gefährde und Raum für Straftaten eröffne.

Nach Angaben von Kaos GL, einer Organisation für LGBTIQ-Rechte in der Türkei, haben Polizeibeamte in Istanbul in den letzten Tagen sogar die angekündigten Veranstaltungsorte der Pride-Woche aufgesucht, um auf das Verbot hinzuweisen und weitere Informationen über die geplanten Aktivitäten und organisierenden Kollektive beziehungsweise Vereine zu erlangen. Einer sich selbst „Verteidigung des Islam“ („Müdafaa-i İslam Hareketi“) nennenden Gruppe, die in sozialen Netzwerken und auf der Straße gegen queere Menschen und ihre Veranstaltungen hetzt und diese bedroht, sei hingegen am Sonntag eine Versammlung am Taksim-Platz genehmigt worden.

Erst in der letzten Woche hatten Mitglieder von „Verteidigung des Islam“ und andere Hetzer Stimmung gegen eine in der Folge untersagte CSD-Demonstration in der Stadt Çanakkale in der Marmara-Region und ein Pride-Campus-Picknick in Istanbul gemacht. Vor Ort erschienen in beiden Städten hunderte Anhänger der islamistischen Gruppe und forderten teilweise den Tod queerer Menschen. In Çanakkale war der CSD von den queeren Aktivist:innen nach dem Erscheinen der Radikalen vor Ort dann auch ihrerseits abgesagt worden. Auch in Istanbul ließ die Polizei die Hassprediger gewähren und schützte nicht die Picknick-Teilnehmenden, sondern nahm 26 von ihnen für mehrere Stunden fest.

Vor anderthalb Wochen hatte die türkische Polizei bereits eine Pride-Parade an der Technischen Universität des Nahen Ostens (ODTÜ) in Ankara mit Gewalt verhindert. Die Studierendenschaft wurde mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen, zahlreiche Personen wurden festgenommen. Im Vorfeld hatte das Rektorat der ODTÜ den Studierenden der Universität eine E-Mail gesendet und die Pride-Parade als „kategorisch verboten“ bezeichnet. Jeglichen Teilnehmenden der friedlichen Veranstaltung wurde außerdem ein polizeiliches Eingreifen angedroht. Die Universität sei ein friedliches, produktives und kreatives akademisches Umfeld. Durch demonstrierende Studierende würde das Prestige der ODTÜ einen Rufschaden erleiden, hieß es zur Begründung. Wenige Tage zuvor waren eine queere Kundgebung in Istanbul und ein weiterer Campus-CSD in der Bosporus-Metropole mit Gewalt und Festnahmen unterbunden.

In den letzten Jahren waren der CSD in Istanbul samt dem Trans-Pride und teilweise CSDs in anderen Städten immer wieder verboten worden. Die Polizei hatte Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse gegen Teilnehmende eingesetzt. In den Jahren vor dem ersten Verbot und der ersten CSD-Niederschlagung 2015 hatten noch zehntausende Menschen an den Pride-Demonstrationen der Metropole teilgenommen. Auch queere Kulturveranstaltungen wurden zuletzt häufiger untersagt. Das Organisationskomitee der Pride teilte am Montag mit, das Verbot der CSD-Woche entbehre jeglicher rechtlicher Grundlage und kündigte an, Widerspruch gegen die Behördenverfügungen einzulegen.

Queer.de/Bianet/Kaos GL