Hunderte Festnahmen bei Pride-Parade in Istanbul

UPDATE: Die türkische Polizei ist auch in diesem Jahr gegen die Istanbuler Pride-Parade vorgegangen, über 200 Mitglieder der LGBTIQ-Community wurden gewaltsam festgenommen. Auch der AFP-Fotoreporter Bülent Kilic wurde in Gewahrsam genommen.

Die türkische Polizei hat am Sonntag hunderte Teilnehmende einer Pride-Parade in Istanbul festgenommen. Wie die organisierenden Gruppen mitteilen, wurden mehr als 200 Menschen gewaltsam in Handschellen gelegt und abgeführt. Neben Mitgliedern der LGBTIQ-Community, darunter auch Aktive der Föderation der sozialistischen Jugendverbände (SGDF), sowie Feministinnen von „Frauen sind gemeinsam stark“ ist auch der AFP-Fotoreporter Bülent Kilic festgenommen worden. Der mehrfach ausgezeichnete Journalist Fotograf war auch beim Istanbuler LGBTIQ-Pride-Marsch im vergangenen Jahr in Polizeihaft geraten.

Die türkischen Behörden begründeten das Vorgehen gegen die Pride-Parade, die in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal in der Bosporus-Metropole stattfinden sollte, mit einem vom Gouverneur erteilten Verbot. Zuvor hatten die Landratsämter der Bezirke Beyoğlu und Kadıköy nicht nur wie in den Vorjahren die heutige Demonstration, sondern alle Veranstaltungen im Rahmen der 30. Pride-Woche vom 20. bis zum 26. Juni im öffentlichen und geschlossenen Raum untersagt.

Queere Gruppen und Kollektive hatten das Verbot in einem gemeinsamen Appell kritisiert und betont: „Wir weigern uns, uns zu schämen, vergessen zu werden, aufzugeben, zu verlieren und einen Schritt zurückzutreten.“ Daher war zu einer Kundgebung in der Sıraselviler-Straße in Beyoğlu und an anderen Orten rund um den Taksim aufgerufen worden. Die Polizei hatte jedoch im Vorfeld nahezu alle Zugänge zu den schmalen Seitenstraßen, die zu dem Platz führen, abgesperrt. Im angrenzenden Viertel Cihangir wurden vermeintlich queere Menschen und Journalist:innen, die in Cafés saßen, wahllos festgenommen. Dennoch gelang es hunderten LGBTIQ-Personen, mit Regenbogenfahnen durch Cihangir zu ziehen. Lautstark wurden Parolen wie „Diskriminierung ist ein Verbrechen“ oder „Morde an trans Personen sind politisch“ skandiert.

Istanbuler Pride seit 2015 verboten

Nach einer aufsehenerregenden Pride-Parade in Istanbul im Jahr 2014 mit mehr als 100.000 Teilnehmenden hatten die türkischen Behörden die Veranstaltung in den vergangenen Jahren immer wieder verboten, offiziell aus Sicherheitsgründen. Die Community widersetzt sich traditionell den Verboten, Paraden werden nicht selten mit Wasserwerfern, Tränengas und Gummigeschossen angegriffen. In diesem Jahr hatte die türkische Polizei bereits mehrere queere Veranstaltungen mit Gewalt und Festnahmen unterbunden, darunter zwei Campus-CSD in Ankara und Istanbul.

Hinweis: In einer früheren Version war die Zahl der Festnahmen mit fünfzig angegeben. Diese Angaben wurden am späten Sonntagabend von den Organisator:innen der Pride-Parade nach oben korrigiert.

Diese Meldung wurde zuletzt aktualisiert am 27. Juni 2022 um 16:36 Uhr.