Soydan Akay und Emin Aladağ
In gleich zwei Städten wurde am Samstag auf die dramatische Lage schwer kranker Gefangener aufmerksam gemacht. Im Fokus standen die Fälle von Soydan Akay, der im Hochsicherheitsgefängnis Marmara inhaftiert ist, und Emin Aladağ, der in der Justizvollzugsanstalt Elazığ festgehalten wird. Menschenrechtsorganisationen und Angehörige forderten die sofortige Freilassung beider Gefangener, deren Gesundheitszustand sich zusehends verschlechtert.
Istanbul: „Soydans Gesundheit wird wissentlich gefährdet“
Vor der Istanbuler Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD fand die 681. „F-Sitzung“ statt – eine seit Jahren regelmäßig durchgeführte Mahnwache für kranke und langzeitinhaftierte Gefangene. Das erste Wort ergriff Veysel Akay. Er kritisierte, dass sein Bruder Soydan Akay trotz schwerer Erkrankungen und verbüßter Haftzeit nicht freigelassen wird.
Außerdem verurteilte Akay die Praxis der Beobachtungsausschüsse der Justizvollzugsanstalten, die laut zahlreichen Berichten willkürlich über die Freilassung politischer Gefangener entscheiden. „Soydan hat seine Strafe verbüßt. Dennoch wird seine Freilassung seit zwei Jahren immer wieder ohne Rechtsgrundlage hinausgezögert“, sagte er.
Die F-Sitzungen des IHD haben ihren Namen in Anlehnung an das türkische Isolationshaftsystem Typ F erhalten © MA
Auch Oya Ersoy, Generalsekretärin der Istanbuler IHD-Sektion Istanbul, zeigte sich besorgt: „Soydan Akay leidet unter mehreren Krankheiten, war im März sieben Mal im Krankenhaus – in drei Fällen wegen eines Notfalls. Kürzlich erlitt er in der Einzelzelle einen Herzinfarkt, der zunächst als Kreislaufschwäche heruntergespielt wurde.“
Ersoy wies auch auf Äußerungen von Akays Anwältin Esra Bilen, wonach der Kurde seit seiner Verlegung ins Marmara-Gefängnis im Jahr 2018 in Einzelhaft gehalten wird – obwohl er weder unter verschärften Bedingungen verurteilt wurde, noch seine Erkrankung dies zuließe. Zudem werde die Kommunikation mit seiner Rechtsvertretung unter restriktiven Maßnahmen wie Videoüberwachung und Anwesenheit von Justizbeamten massiv eingeschränkt worden.
Ankara: „Ein Schwerbehinderter, der nicht mehr laufen kann“
Zeitgleich protestierte in Ankara die Initiative „Freiheit für kranke Gefangene“ in der zentral gelegenen Sakarya-Straße. Dort wurde auf das Schicksal von Emin Aladağ aufmerksam gemacht, der seit über 25 Jahren in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert ist und aktuell in einer Haftanstalt in der kurdischen Provinz Xarpêt (tr. Elazığ) untergebracht ist.
Der Ko-Vorsitzende des IHD-Büros in Ankara, Ömer Faruk Yazmacı, berichtete, Aladağ sei in den 1990er Jahren unter Folter so schwer verletzt worden, dass sich Sehnen in Arm und Bein lösten. Heute leide der 61-Jährige an zahlreichen chronischen Krankheiten, darunter Bluthochdruck, Diabetes, Asthma, Bandscheibenvorfälle in Hals und Lendenwirbelsäule, ein lockeres Hüftimplantat sowie Lähmungen in Armen und Beinen. Außerdem sei er teilweise pflegebedürftig und benötige eine Gehhilfe. Er gilt laut ärztlichen Gutachten als schwerbehindert.
Kundgebung in Ankara © MA
Doch trotz mehrerer Anträge wurde bislang keine Freilassung bewilligt. Seine medizinischen Eingriffe verzögerten sich jahrelang oder wurden gar nicht durchgeführt, so Yazmacı. „Das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit ist nicht verhandelbar – auch nicht hinter Gittern“, betonte der Menschenrechtler. „Wir fordern ein sofortiges Einschreiten des Justizministeriums.“
Menschenrechtsgruppen fordern politische Verantwortung
Die Fälle von Soydan Akay und Emin Aladağ stehen exemplarisch für die strukturelle Benachteiligung politischer Gefangener im türkischen Strafvollzug. Vor allem schwer kranke Insass:innen werden laut Menschenrechtsorganisationen oft trotz erfüllter rechtlicher Voraussetzungen nicht entlassen, wenn sie sich nicht vom politischen Inhalt ihrer Verurteilungen distanzieren.