Gefängnisse in der Türkei massiv überbelegt

Auf 100 reguläre Haftplätze in der Türkei kommen derzeit rund 134 Inhaftierte – ein Verhältnis, das in Europa von keinem anderen Land übertroffen wird.

Haftanstalten um 103.179 Menschen überbelegt

Die türkischen Gefängnisse platzen aus allen Nähten: Nach aktuellen Angaben der Generaldirektion für Straf- und Justizvollzugsanstalten des Justizministeriums sind derzeit 403.060 Personen inhaftiert – dabei liegt die offizielle Kapazität der Haftanstalten bei lediglich 299.881 Plätzen. Damit sind die Gefängnisse um 103.179 Menschen überbelegt.

Insgesamt gibt es in der Türkei 395 Strafvollzugsanstalten, darunter neun spezielle Einrichtungen für Kinder und Jugendliche. Die chronische Überbelegung ist nicht neu, hat sich jedoch in den vergangenen Jahren durch massive Festnahmen im Zuge politischer Prozesse, verschärfter Gesetzgebung und repressiver Sicherheitsstrategien drastisch verschärft.

Statistisch betrachtet bedeutet das: Auf 100 reguläre Haftplätze kommen derzeit rund 134 Inhaftierte – ein Verhältnis, das in Europa von keinem anderen Land übertroffen wird. Die Überbelegungsquote liegt bei etwa 34,4 Prozent – Tendenz steigend.

Internationaler Vergleich: Türkei an der Spitze

Zum Vergleich: In Deutschland waren laut Daten des Statistischen Bundesamts (Stand Ende 2023) rund 55.000 Personen inhaftiert – bei einer offiziellen Gesamtkapazität von etwa 73.000 Plätzen. Das entspricht einer Belegungsquote von knapp 75 Prozent. Damit ist Deutschland weit entfernt von einer Überbelegung und bewegt sich im europäischen Mittelfeld.

Hotspot der Masseninhaftierung

Die Türkei hingegen liegt in absoluten Zahlen europaweit an der Spitze der Gefängnispopulation. Sie übertrifft damit nicht nur Deutschland, sondern auch größere Länder wie Frankreich, Italien oder das Vereinigte Königreich. Der Europäische Strafvollzugsbericht des Europarats warnte bereits im Vorjahr, dass sich die Türkei zunehmend zu einem Hotspot der Masseninhaftierung entwickelt – vor allem durch politische Strafverfolgung, Anti-Terror-Gesetze und lange Untersuchungshaftzeiten.

Menschenrechtsorganisationen alarmiert

Zivilgesellschaftliche Organisationen und internationale Beobachter:innen kritisieren seit Jahren die Haftbedingungen in der Türkei. „Überbelegung bedeutet nicht nur beengte räumliche Verhältnisse, sondern erschwert auch medizinische Versorgung, Bildung, psychologische Betreuung sowie die Möglichkeit auf Resozialisierung“, erklärt die NGO CISST (Zivilgesellschaft für den Strafvollzug). Besonders prekär sei die Lage für politisch Inhaftierte, Minderjährige und kranke Gefangene.

Derweil investiert die Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan in den Bau neuer Haftanstalten. Bis 2027 sollen mehr als 20 weitere Gefängnisse entstehen. Fachleute warnen: Der Fokus müsse nicht auf mehr Vollzugseinrichtungen, sondern auf einer humaneren und rechtsstaatlicheren Strafpraxis liegen.