Die Ko-Vorsitzende der Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD in Ankara, Nuray Çevirmen, berichtet gegenüber ANF über die schwierige Situation kranker Gefangener in türkischen Haftanstalten. Die Menschenrechtsaktivistin erläutert, der IHD versuche möglichst viele Informationen über die Situation kranker Gefangener zu erhalten. „Die Zahl der kranken Gefangenen betrug im Jahr 2017 137. Heute sind es wegen Entlassungen und Verlegungen 116 kranke Gefangene in Zentralanatolien. Das ist allerdings nur die Zahl der kranken Gefangenen, die Kontakt mit uns aufgenommen haben. Das Problem der kranken Gefangenen in den Gefängnissen der Türkei ist enorm. Das Justizministerium gibt keine Daten zu diesem Thema preis. Allein in Zentralanatolien sind 23 Gefangene so schwer krank, dass sie keinesfalls weiter inhaftiert bleiben dürften", erklärt sie.
Recht auf Gesundheitsversorgung
Der IHD hat sich an viele Institutionen gewandt, um das Recht auf Gesundheitsversorgung für die kranken Gefangenen zu garantieren. Diese Bemühungen seien aber ergebnislos geblieben, berichtet Nuray Çevirmen: „Wir haben 2018 einen Bericht erstellt und diesen an die Parlamentarische Menschenrechtskommission, das Justizministerium, die Generaldirektion der Gefängnisse und das Gesundheitsministerium weitergeleitet. Die späteste Antwort erreichte uns innerhalb eines Monats. Dass man sich so wenig Zeit nahm, um sich mit so einem wichtigen Thema zu beschäftigen, zeigt, wie wenig Untersuchungen zu dem Thema angestellt worden sind. Wir haben gesehen, wie viele Gefangene gestorben sind, weil ihnen das Recht auf Zugang zu medizinischer Behandlung verweigert wurde. Sie starben an Herzerkrankungen, Krebs und vielen anderen Krankheiten. Zum Beispiel starben im Menemen-Gefängnis in Izmir 14 Gefangene aufgrund der hygienischen Zustände."
290.000 Gefangene in türkischen Gefängnissen
Çevirmen fährt fort: „Die Kapazität der Gefängnisse beträgt zurzeit 194.000. Im Mai 2019 lag die Anzahl der Gefangenen bei 280.000, heute sind es rund 290.000. Es gibt viel mehr Todesfälle in den Gefängnissen, als wir wissen. Das Thema wird auch in der Presse nicht berücksichtigt. Es wird einfach als normal akzeptiert. Allerdings könnten Todesfälle in Gefängnissen verhindert werden. Wir haben uns mehrfach an relevante Institutionen gewandt. Wir schreiben Artikel für jeden eingehenden Fall. Leider werden keine Schritte unternommen. Derzeit ist die Situation der kranken Gefangenen in den Gefängnissen weiterhin ein enormes Problem."