Gräber von Gefallenen in Cizîr geschändet

In Cizîr haben Unbekannte die Gräber von Angehörigen der kurdischen Befreiungsbewegung geschändet. Auch Ruhestätten von zivilen Opfern der Militärbelagerung im Winter 2015/2016 wurden beschädigt.

Auf dem städtischen Friedhof in Cizîr angelegte Gräber von Mitgliedern der kurdischen Befreiungsbewegung und Opfern der Militärbelagerung sind verwüstet worden. Angehörige der dort beerdigten Toten fanden herausgebrochene Grabsteine und teils geschändete Gräber bereits am Vortag beim traditionellen Friedhofsbesuch nach dem Donnerstagsgebet vor. Wann sich die Schandtat ereignet hat, ist unklar. Der verantwortlichen Täter sind ebenfalls unbekannt, man vermutet sie jedoch in den Reihen des türkischen Sicherheitsapparats.

Die Angehörigen der betroffenen Toten zeigten sich wütend und entsetzt über die Grabschändung. Die Zweigstelle des Solidaritätsvereins MEBYA-DER für Menschen, die Angehörige im kurdischen Befreiungskampf verloren haben, gab im Beisein von Mitgliedern des HDP-Ortsverbands und dem Rat der Friedensmütter eine öffentliche Erklärung ab und verurteilte die Beschädigung der Gräber auf das Schärfste. „Es ist ein abscheulicher Angriff auf die Werte unserer Gesellschaft. Die persönliche Würde der Toten gehört überall und in jeder Religion zu den wichtigsten Elementen menschlicher Kultur. Doch unter dem Regime der AKP und MHP müssen wir immer wieder menschenfeindliche Taten wie diese über uns ergehen lassen. Denn für die Mentalität der gegenwärtigen Herrschenden zählt unsere Würde und die unserer Toten nicht. Ihre Menschenfeindlichkeit macht selbst vor der Achtung der Totenruhe keinen Halt“, sagte Ramazan Dalmış im Namen des Vereinsvorstands.

„Das Töten allein reicht nicht mehr. Gefallene sollen auch unter der Erde nicht zur Ruhe kommen“ - MEBYA-DER

Auf dem städtischen Friedhof in Cizîr, einer Kreisstadt in der Provinz Şirnex, liegen insgesamt sechs Kämpferinnen und Kämpfer der Guerillaorganisationen YJA Star und HPG sowie zivile Opfer der im Rahmen der Militärbelagerung im Winter 2015/2016 begraben. Nur ihre Ruhestätten sind verwüstet beziehungsweise Grabsteine zerbrochen worden. Die anderen Gräber sind intakt.

Krieg gegen die Toten der Freiheitsbewegung 

Methoden wie diese werden nicht zum ersten Mal angewandt. In Nordkurdistan werden Guerillagräber systematisch vom türkischen Staat zerstört. In den letzten Jahren sind Dutzende Friedhöfe angegriffen und verwüstet worden, in diversen Fällen wurden sogar Leichen exhumiert und verschleppt. Bei diesem Vorgehen handelt es sich um Kriegsverbrechen. Auch Beerdigungen von Gefallenen oder politischen Gefangenen sind der Regierung ein Dorn im Auge.

Verschleppte Leichen aus Garzan

Das größte Trauma der vergangenen Jahre im Zusammenhang mit der Schändung von Gefallenengräbern erlebte die kurdische Gesellschaft Ende 2017. Damals ordnete der türkische Staat die Zerstörung des Gefallenenfriedhofs Garzan in der nordkurdischen Provinz Bedlîs (tr.Bitlis) an. Die Ruhestätte lag in der Nähe des Dorfes Oleka Jor (Yukarı Ölek), begraben waren dort fast 300 Angehörige der HPG und YJA-Star sowie der in Rojava aktiven Verteidigungseinheiten YPG und YPJ. Ihre Leichname wurden nach der Zerstörung des Friedhofs auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Istanbul exhumiert und in die dortige Gerichtsmedizin verschleppt. Anschließend wurden sie auf dem jüdischen Friedhof Kilyos unweit des gleichnamigen Badeortes am europäischen Eingang des Bosporus begraben: In Plastikboxen unter einem Gehweg in einem Abschnitt für „Tote ohne Namen“.

Nur wenige Leichen wieder ausgehändigt

Erst seit Ende 2019 ist bekannt, wohin die verschleppten Knochen gebracht wurden. Kurz darauf hatte die Nachrichtenagentur Mezopotamya (MA) Videoaufnahmen von der Exhumierung eines verschleppten Leichnams veröffentlicht, die international für Empörung gesorgt hatten. Bislang haben die türkischen Behörden jedoch nur die Leichen von knapp zwei Dutzend Gefallenen wieder an ihre Hinterbliebenen ausgehändigt.