Gefangene in der Türkei beginnen mit Warnaktionen

Politische Gefangene in der Türkei klagen über einen Anstieg der Repression während der Corona-Pandemie und beginnen eine Serie von Warnaktionen.

Politische Gefangene in der Türkei haben eine gemeinsame Erklärung abgegeben, in der sie Aktionen gegen die zunehmende Repression in den Gefängnissen ankündigen. Das geht aus einem Schreiben von Sema Mazlum aus dem Gefängnis hervor. Die Gefangenen fordern Unterstützung für ihre Aktionen ein.

Repression und Isolation haben zugenommen

Die Gefangenen warnen, das System nutze die Corona-Pandemie als Gelegenheit, „um sein Leben zu verlängern“. Die Menschen würden in einem Klima der Angst zu Hause isoliert, die gesellschaftliche Opposition zum Schweigen gebracht, das Regime noch autoritärer und die Gesellschaft noch abhängiger vom Staat gemacht. Letzten Endes sei durch die Pandemie eine Art globales Gefängnis geschaffen worden. „Die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie werden dafür genutzt, um Freiheiten aufzuheben”, heißt es in der Erklärung. „Als Gefangene bekommen wir unseren Anteil an diesen Repressionsnahmen ab. Unter dem Vorwand der Corona-Prävention wurde unsere Kommunikation eingeschränkt, der Druck und die Isolation haben sich verschärft.

Bedingungen zur Behandlung schwerer Krankheiten aufgehoben

Wichtig ist außerdem, dass eine medizinische Behandlung kranker Gefangener praktisch nicht mehr möglich ist. In der letzten Zeit sind aus diesem Grund unsere Freunde Sabri Kaya und Vefa Kartal ums Leben gekommen. Es gibt schwer kranke Gefangene, um die wir uns größte Sorgen machen. Die AKP/MHP-Regierung hat diese Phase genutzt, um opportunistisch das neue Vollzugsgesetz durchs Parlament zu bringen. Mit diesem Paket wurde eine handverlesene Anzahl von Gefangenen entlassen. Bei diesen handelt es sich um Mafiabosse, aber auch um Vergewaltiger. Das Vollzugsgesetz hat den mörderischen Gesetzeskatalog auf diese Weise um einen weiteren Schandfleck erweitert.

Zum Tode verurteilt

Mit diesem Paket nahm in den Gefängnissen auch die Isolation, die Willkür und die Repression zu. Die politischen Gefangenen, insbesondere Kurdinnen und Kurden, wurden praktisch zum Tode verteilt. Dieses Gesetz muss vor dem Verfassungsgericht im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes überprüft werden. Wir haben die Sorge, dass die erhöhte Repression in den Gefängnissen bleibt, auch wenn die Pandemie vorbei gehen sollte.“

Organisierte Warnaktionen

Die politischen Gefangenen erklären, dass sie aufgrund dieser Bedingungen mit Warnaktionen beginnen werden. Alle Gefangenen werden aufgefordert, organisiert vorzugehen und keine Einzelaktionen zu starten. In der ersten Juniwoche wurden bereits Briefe an die Vereinten Nationen, Amnesty International, den Menschenrechtsverein IHD, das Parlamentspräsidium, das Justizministerium und den Präsidenten geschickt. Weitere Aktionen wie das gemeinsame Rufen von Parolen oder eine kollektive Verweigerung sollen folgen.

Unterstützung von außen entscheidend

Die Gefangenen schließen mit einem Appell: „Unsere Warnaktionen sollen durch Aktivitäten der Angehörigen und solidarischer Menschen wie Kundgebungen, Sitzstreiks vor dem Verfassungsgerichtshof und Widerstand auf den Straßen unterstützt werden. Wir sind davon überzeugt, dass das patriotische Volk, die demokratischen Kreise, unsere Freundinnen und Freunde und alle, die noch ein Gewissen haben, nicht schweigen werden, sondern mit ihrer Stimme zum Widerstand beitragen. Wir wünschen den Angehörigen von Sabri Kaya und Vefa Kartal nochmals unser aufrichtiges Beileid und bekunden unsere Verbundenheit mit dem Andenken an sie.“