In Ankara ist der Opfer des IS-Anschlags auf die Friedenskundgebung vor viereinhalb Jahren gedacht worden. Bei dem Anschlag am 10. Oktober 2015 kamen 103 Menschen ums Leben, mehr als 500 Menschen wurden verletzt. Seitdem kommen Angehörige von Opfern und Verletzten des Anschlags, die sich in dem „Verein 10. Oktober - Frieden und Solidarität” zusammengeschlossen haben, an jedem 10. eines Monats am Bahnhofsvorplatz in Ankara, dem Ort des Geschehens zusammen, um an die Toten zu erinnern.
Bei der heutigen, mittlerweile 53. Mahnwache der Hinterbliebenen, kündigte die Vereinsvorsitzende Mehtap Sakinci Coşgun an, dass ein Gedenkhain für die Anschlagsopfer entstehen wird. Das Projekt wird ein Künstler*innenkollektiv umsetzen, das zuvor einen von dem Hinterbliebenenverein ausgerichteten Kreativwettbewerb gewonnen hatte.
„Hier, an dem Ort, an dem sie starben, werden sie weiterleben. Mit einem Gedenkhain, in dem symbolisch 103 Bäume wachsen”, sagte Coşgun. Die Menschenrechtsaktivistin wies zudem auf das Verfahren gegen einen der vermeintlichen Hintermänner des Bombenanschlags und sechzehn flüchtige Personen hin und erklärte: „In der Geschichte der Türkei wird das erste Mal ein Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit geführt.” Coşgun rief die Öffentlichkeit zur Prozessbeobachtung auf. Das Verfahren wird am 8. Mai fortgesetzt.
Anschlag auf Friedenskundgebung
Bei dem Anschlag auf die Friedenskundgebung, zu der die Demokratische Partei der Völker (HDP) und der linke Gewerkschaftsbund KESK unter dem Motto „Arbeit, Frieden, Demokratie“ aufgerufen hatten, um ein Ende der Angriffe des türkischen Militärs auf die kurdische Zivilbevölkerung zu fordern, handelt sich um den schwersten Terroranschlag in der Geschichte der Türkei. Er fand zu einer Zeit statt, in der Staatspräsident Tayyip Erdoğan sein Ein-Mann-Regime aufbaute. Am 30. Oktober 2014 wurde im Nationalen Sicherheitsrat der Plan zur Niederschlagung der kurdischen Befreiungsbewegung beschlossen. Eines der darauffolgenden Massaker war der Anschlag von Pirsûs (Suruç) am 20. Juli 2015, bei dem 33 junge Aktivist*innen von einem Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt wurden. Für beide Attentate ist die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) verantwortlich. Die Täter gehörten einer IS-Zelle aus Semsûr (Adıyaman) an, die auch für den Anschlag am 5. Juni 2015 in Amed (Diyarbakir) verantwortlich ist.
Türkische Behörden verweigerten EP-Abgeordneter Prozessbeobachtung
Beim letzten Prozesstag im Verfahren um den Anschlag war der Düsseldorfer Europaabgeordneten Özlem Alev Demirel (Linke) vor vier Wochen der Zutritt zur öffentlichen Verhandlung verweigert worden. Demirels Prozessbeobachtung würde als „nicht angemessen“ empfunden, begründeten türkische Sicherheitsbehörden den Vorgang.