Überlebende von IS-Anschlag tritt als Nebenklägerin auf

Die kurdische Filmemacherin Lisa Çalan hat bei einem IS-Anschlag auf eine HDP-Kundgebung im Juni 2015 beide Beine verloren. Am 20. Verhandlungstag im Prozess gegen die Täter wurde sie nun als Nebenklägerin zugelassen.

Vor einem türkischen Gericht in Ankara wurde in dieser Woche der Prozess um den IS-Anschlag vom 5. Juni 2015 in Amed (Diyarbakir) fortgesetzt. Bei dem Anschlag einer polizeibekannten Zelle der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) auf eine Kundgebung der Demokratischen Partei der Völker (HDP) kamen zwei Tage vor den Parlamentswahlen fünf Menschen ums Leben, 16 weitere Personen wurden schwer verletzt. Die kurdische Bühnenbildnerin und Filmemacherin Lisa Çalan verlor bei dem Attentat beide Beine. Seitdem kämpft sie sich ins Leben zurück und fordert als Geschädigte die Zulassung als Nebenklägerin. Vergangenen Donnerstag fand der mittlerweile 20. Verhandlungstag im Prozess um den Anschlag statt. Fast drei Jahre nach der Verfahrenseröffnung am 19. Oktober 2016 wurde dem Antrag der 31-jährigen Künstlerin stattgegeben.

Das Gericht, das sich mit dem Fall befasst, hatte bereits anerkennen müssen, dass sich der türkische Staat bei dem Bombenanschlag in Amed einige Dienstversäumnisse zuschulden kommen ließ. Den Polizeiakten zufolge wurde der zur Fahndung ausgeschriebene Täter Orhan Gönder, ein Attentäter der berüchtigten IS-Zelle aus Semsûr (Adiyaman), die auch für die verheerenden Anschläge in Ankara und Pirsûs (Suruç) mit hunderten Toten und Verletzten verantwortlich ist, in der Nacht vor dem Anschlag mit seiner echten Identität in einem Hotel in Amed registriert. Obwohl er gesucht wurde, gab es keine Sicherheitsüberprüfung. Die Angehörigen der IS-Zelle aus Semsûr hatten sogar Strafanzeigen gegen ihre eigenen Kinder erstattet und waren von Behörde zu Behörde gezogen, um auf die Aktivitäten ihrer Söhne aufmerksam zu machen. Trotzdem sahen alle weg. Offenbar wollte die Polizei den Anschlag nicht verhindern.

Lisa Çalan wurde seit dem Attentat bereits mehrfach operiert. Nach jeder Operation waren ihre Oberschenkel kürzer. Um Prothesen zu bekommen, musste die Filmemacherin zur Behandlung nach Deutschland und Australien. Eine Klage in der Türkei auf Schmerzensgeld und materielle Entschädigung für Krankenhauskosten und den Verlust ihrer Beine ist derzeit anhängig.