Friedensaktivist geht für 20 Tage ins Gefängnis

„Für eure Kriege zahle ich nicht“ – Der Arzt Ernst-Ludwig Iskenius geht freiwillig in den Knast, um nicht der Staatskasse eine Strafe zu überweisen. Diese war wegen einer antimilitaristischen Aktion auf einem Truppenübungsplatz verhängt worden.

Am Donnerstag musste der Arzt und Friedensaktivist Ernst-Ludwig Iskenius aus Lübtheen eine 20-tägige Erzwingungshaft in der JVA Bützow antreten, dem größten Gefängnis von Mecklenburg-Vorpommern im Landkreis Rostock. Der 70-Jährige hatte sich geweigert, der Staatskasse eine Strafe zu überweisen, die wegen einer antimilitaristischen Aktion auf einem Truppenübungsplatz in Sachsen-Anhalt verhängt worden war.

Im Rahmen der „Gewaltfreien Aktion Gefechtsübungszentrum abschaffen“ (GA GÜZ abschaffen) hatten 20 Kriegsgegner:innen im Sommer 2020 das Gefechtsübungszentrum Heer (GÜZ) in der Altmark unerlaubt betreten und das ehemalige Dorf Salchau besetzt. Sie blieben mehr als 30 Stunden. Während dieser Zeit musste der Übungsbetrieb auf dem Platz eingestellt werden. Die Aktivist:innen hatten mit ihrer Aktion die sofortige Schließung des GÜZ und die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr gefordert. Die Bundeswehr erwirkte ein Bußgeld von 500 Euro.

Das „Gefechtsübungszentrum Heer“ nördlich von Magdeburg ist mit seinen 232 Quadratkilometern und der genutzten Technik einer der modernsten Truppenübungsplätze Europas. Soldat:innen aus vielen NATO-Ländern werden dort auf ihre Auslandseinsätze vorbereitet, selbst Häuserkampf wird dort geübt. Alle deutschen Soldat:innen, die in Auslandseinsätze gehen, durchlaufen auf diesem Truppenübungsplatz ein spezifisches Trainingsprogramm zur Ausbildung an den modernsten tödlichen Waffen, die die Bundeswehr besitzt. Seit Jahren gibt es schon Proteste dagegen.

Vor Gericht hatte sich Iskenius, der sich seit Jahrzehnten in der deutschen Sektion der Friedensorganisation IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) engagiert, auf „rechtfertigenden Notstand“ berufen und dabei teils völkerrechtswidrige militärische Einsätze und ihre desaströsen Folgen für die betroffene Bevölkerung angeführt, etwa im Kosovo, in Afghanistan, am Horn von Afrika oder in Mali. Auf die mehrmalige Aufforderung der Staatsanwaltschaft Bonn, das Bußgeld endlich zu bezahlen, begründete Iskenius seine Weigerung mit einem Gewissenskonflikt. Als Kompromiss hatte er eine Zahlung des Bußgeldes an Connection e.V., der verfolgte Kriegsdienstverweigerer:innen und Deserteur:innen in unterschiedlichen Ländern unterstützt, vorgeschlagen. Wie nicht anders zu erwarten war, ist die Justiz nicht darauf eingegangen.

Im Vorfeld des Haftantritts erklärte Iskenius: „Angesichts der sich zuspitzenden Kriegsgefahr, der Verletzung des Friedensgebotes des Grundgesetzes durch Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet und die Vernachlässigung ziviler Konfliktlösungsstrategien werde ich jegliche Zahlungen an die ‚staatliche Kriegskasse‘ aus Gewissensgründen verweigern, um weiterhin Mensch mit kritischem Verstand zu bleiben. Ich kann nicht noch ihre Kriege mitzahlen, für die es keine Legitimation gibt.“ Den Gefängnisaufenthalt wolle der Kinder- und Jugendarzt im Ruhestand dazu nutzen, seinen Protest gegen den gegenwärtigen Kriegskurs „weiter hörbar“ zu machen.

Zahlreiche Unterstützer:innen begleiteten ihren politischen Weggefährten beim heutigen Haftantritt in der JVA Bützow. Auch vor dem Amtsgericht Bonn, das Iskenius im Oktober 2021 zu der Geldbuße verurteilt hat, versammelten sich Pazifist:innen zu einer Protestmahnwache. Weitere Aktionen sind geplant, unter anderem am 14. Dezember vor der JVA. Wer den Protest des Friedensaktivisten gegen die zunehmende Militarisierung unterstützen will, bekommt in einer persönlichen Stellungnahme von Ernst-Ludwig Iskenius einige Vorschläge.