EGMR weist Einspruch ab: Urteil im Fall Berkin Elvan ist endgültig

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Türkei im Zusammenhang mit dem Tod von Berkin Elvan ist endgültig. Die Große Kammer des Gerichts wies den Einspruch Ankaras gegen das Urteil zurück und lehnte ein Berufungsverfahren ab.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) gegen die Türkei im Zusammenhang mit dem Tod von Berkin Elvan ist endgültig. Die Große Kammer des Straßburger Gerichts wies den Einspruch Ankaras gegen das Urteil (AZ. 64937/19) zurück und lehnte ein Berufungsverfahren ab.

Berkin Elvan war 14, als er im Juni 2013 am Rande der Gezi-Proteste im Istanbuler Viertel Okmeydanı von einer Tränengaskartusche am Kopf verletzt wurde. Nach Darstellung seiner Eltern war der Junge damals unterwegs, um Brot zu kaufen. Nach monatelangem Koma starb der 15-Jährige im März 2014 infolge einer Gehirnblutung. Er wog zuletzt nur noch 16 Kilo.

Nachdem der nationale Rechtsweg ausgeschöpft war, wandte sich die Familie an den EGMR. Vergangenen Februar verurteilte das Gericht die Türkei wegen der mangelnden Aufklärung des Falls. Die Behörden seien nicht unabhängig gewesen und hätten ihre Verpflichtung zur Aufklärung nicht erfüllt, heißt es in der Entscheidung. Dabei handele es sich um ein systematisches Problem innerhalb der türkischen Justiz.

Nach Ansicht der Straßburger Richter:innen hatten die türkischen Behörden auch nicht genug getan, um zu untersuchen, welche Rolle der Leiter der nationalen Strafverfolgungsbehörden sowie der Gouverneur der Millionenmetropole damals spielten und ob diese die Strafverfolgung im Fall der Tötung des Jungen behindert hatten.

Die Urteile des EGMR sind gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) für die betroffenen Staaten bindend. Stellt der Gerichtshof einen Verstoß gegen die EMRK fest, kann er der verletzten Partei nach Artikel 41 EMRK eine gerechte Entschädigung zubilligen. Im Fall von Berkin Elvan musste Ankara jedoch keine Entschädigung zahlen, weil die Familie des verstorbenen Jungen dies nicht beantragt hatte.

Gezi-Proteste

Die Gezi-Proteste entzündeten sich Ende Mai 2013 an der geplanten Bebauung des Gezi-Parks in Istanbul. Sie weiteten sich zu landesweiten Demonstrationen gegen den als immer autoritärer empfundenen Führungsstil Recep Tayyip Erdoğans aus und wurden teils mit brutaler Polizeigewalt niedergeschlagen. Erdoğan war damals Ministerpräsident. Seit August 2014 ist er Staatspräsident.

Landesweit kamen bei den Protesten acht Demonstrierende ums Leben: Berkin Elvan, Ali Ismail Korkmaz, Ethem Sarısülük, Ahmet Atakan, Mehmet Ayvalıtaş, Abdullah Cömert, Medeni Yıldırım und Hasan Ferit Gedik. Zahlreiche weitere Menschen wurden teils schwer verletzt – einige verloren sogar ihr Augenlicht, weil sie von Tränengaskartuschen der Polizei getroffen wurden.