Der türkische Staat ist heute weltweit für die Repression gegen Gefangene bekannt. Ohnehin war er bereits durch die Unterdrückung des kurdischen Volkes zu zweifelhafter Berühmtheit gelangt. Das weltweite Ansehen der Türkei wird durch diese beiden Fragen geprägt. Man erinnert sich noch gut an die Aufregung und den Protest des türkischen Staates gegen den Film Midnight Express, in dem bereits 1978 die Folter in türkischen Gefängnissen gezeigt wurde. Tatsächlich sind die im Film dargestellten Foltermethoden bereits Dutzende Male als Praktiken in türkischen Gefängnissen bekannt geworden. Folter wurde und wird in den Gefängnissen systematisch angewandt. Der Film Midnight Express vermittelte dies nur auf filmische Weise.
Angesichts der Folter im Gefängnis Nummer 5 von Diyarbakır nach dem Militärputsch vom 12. September kann der Film Midnight Express nur noch als sehr naiv betrachtet werden. Inzwischen hat sich die Situation in den türkischen Gefängnissen weiter verschärft und ist überall schlimmer als in Diyarbakır geworden. Jetzt gibt es Dutzende, ja hunderte Gefängnisse von Diyarbakır und Cheffolterer wie Esat Oktay. Das ist nicht übertrieben. Süleyman Soylu ist schlimmer als Kenan Evren. Gefangene werden de facto hingerichtet. Statt einer Hinrichtung werden jeden Tag Hinrichtungspraktiken vollzogen. Es gibt kaum einen Tag, an dem keine Leichen aus den Gefängnissen kommen. So wird Rache an den in Gefangenschaft geratenen Kurd:innen genommen.
Die Türkei steht mit dieser organisierten und geplanten Politik der Repression und Grausamkeiten im Gefängnis weltweit an der Spitze. Die AKP/MHP-Regierung ist ganz vorne, was Einschüchterung, Erniedrigung und schrittweise Tötung in den Gefängnissen anbelangt. In keinem anderen Land der Welt gibt es so viele politische Gefangene im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. Wenn man allein die kurdische Bevölkerung betrachtet, dann wird der Weltdurchschnitt der Anzahl von politischen Gefangenen ums Zehnfache übertroffen. Und diejenigen, die nicht hinter Gefängnismauern sitzen, befinden sich in einem offenen Gefängnis.
Die Zahl der Todesfälle in den Kerkern hat in den letzten Tagen zugenommen. Es heißt, diese Todesfälle werden weiter zunehmen, wenn die tödliche Pandemie dort eindringt. Seit Jahren ist bekannt, dass kranke Gefangene bewusst aus Rache medizinisch nicht oder nur unzureichend versorgt werden. Menschenrechtsorganisationen liegt eine lange Liste von kranken Gefangenen vor. Wenn diese nicht freigelassen und behandelt werden, wird dies zu einem großen Massaker in den Gefängnissen führen.
In der Türkei sind mehr Politiker:innen als in jedem anderen Land der Welt inhaftiert. Viele von ihnen sind schwer krank. Es kann bald auch dazu kommen, dass die Leichen von Politiker:innen aus dem Gefängnis kommen. So wird Aysel Tuğluk ganz bewusst dem Tod in Haft überlassen.
Er wird nicht nur getötet. Auch diejenigen, die entlassen werden müssten, kommen nicht raus. Die politischen Gefangenen erhalten schwere Strafen, weil sie nicht bereuen, und sie werden nicht freigelassen, weil sie keine Reue zeigen. So werden Menschen immer wieder bestraft und im Gefängnis festgehalten. Die Mehrheit der aus politischen Gründen verhafteten Kurd:innen soll bis zu ihrem Tod im Gefängnis bleiben.
Alle Todesfälle in den Gefängnissen sind politisch. Der PKK-Vorsitzende Abdullah Öcalan legte dies ebenfalls dar. Er sagte, wenn er sterbe, dann geschehe das nicht von selbst, sondern aus politischen Gründen. So machte er deutlich, wie mit der Frage nach seiner Gesundheit umgegangen werden sollte.
Das ist die Lage in den Gefängnissen in der Türkei. Die demokratischen Kräfte und die Völker der Türkei dürfen dabei nicht einfach zusehen. Wenn diese Praxis in den Gefängnissen, die Gefangenen krank zu machen, zu versehren und zu ermorden, nicht gestoppt wird, werden alle zu Komplizen und von diesem Verbrechen beschmutzt werden. Wer bei den Verbrechen zuschaut, bleibt nicht sauber. Für die Menschen, die zusehen, wird dies traumatisch. Wenn die demokratischen Kräfte und das türkische Volk nicht in diese Situation geraten wollen, müssen sie eingreifen und die Unterdrückung in den Gefängnissen so schnell wie möglich beenden.
Die Gefängnisse sind der Spiegel dieses Landes. Sie zeigen seine Identität und sein Wesen. Die AKP/MHP-Regierung zeigt sich am deutlichsten mit ihrer Praxis in den Gefängnissen. Dieses Regime ist in jeder Hinsicht ein Folterregime. Die Wirtschaftspolitik, die Politik der Ernennung von Beamten und auch die Umweltpolitik sind Folterpolitik. Gegen eine Politik der Folter aufzustehen und eine andere zu tolerieren, geht nicht. Deshalb muss ‚Stopp‘ zu den Grausamkeiten in den Gefängnissen gesagt werden. Es reicht nicht, dass sich nur die HDP und manche demokratischen Kräfte dagegenstellen. Alle oppositionellen politischen Parteien und demokratischen Kräfte, die gegen die AKP/MHP-Herrschaft sind, müssen sich dem entgegenstellen. Andernfalls ist in Frage zu stellen, inwiefern es sich bei diesen Personen und Organisationen wirklich um Oppositionelle und Demokrat:innen handelt.