Mitglieder des Menschenrechtsvereins IHD und Angehörige von Vermissten sind zum 691. Mal zu einer Kundgebung in Amed (tr. Diyarbakir) zusammengekommen. Die Kundgebung fand vor dem Menschenrechtsdenkmal im Koşuyolu-Park statt, auch die Vorsitzende der örtlichen Ärztekammer, Elif Turan, nahm daran teil.
Der IHD-Vorsitzende in Amed, Abdullah Zeytun, erklärte auf der Kundgebung, dass die Souveränität des Rechtssystems in der Türkei ad acta gelegt worden ist. Man befinde sich in einer Zeit antidemokratischer Maßnahmen und gewalttätiger Konflikte. „Als Menschenrechtsverteidiger sind wir der Meinung, dass die kurdische Frage nur gewaltfrei gelöst werden kann. Wir sind nicht zwangsläufig schweren Rechtsverletzungen und Gewalt ausgesetzt. Wir treten grundsätzlich für eine friedliche Atmosphäre ein. Die Gewalt und die Militäroperationen müssen sofort beendet werden, wir fordern konkrete Schritte für eine Lösung“, so der Menschenrechtsanwalt Zeytun.
Auf den Kundgebungen vor dem Menschenrechtsdenkmal wird wie bei der Initiative der Samstagmütter in Istanbul jedes Mal ein Fall von „Verschwundenen“ thematisiert, also von Menschen, die seit ihrer Festnahme vermisst werden. In Amed wie in Istanbul fragten Angehörige heute nach Mehmetcan Ayşin, der 1994 in Licê festgenommen wurde und seitdem verschwunden ist. Türkische Militärs hatten am 5. Mai 1994 das Dorf Kılıçlı überfallen und 53 Personen mitgenommen. Bis auf Ayşin wurden alle Festgenommenen in den kommenden Tagen wieder freigelassen. Seinen Angehörigen wurde von der Militärstation mitgeteilt, dass er der Staatsanwaltschaft vorgeführt und dann freigelassen werde. Beides ist niemals geschehen. Die Familie wandte sich daraufhin an das Staatssicherheitsgericht und verschiedene weitere Behörden. Die Militärkommandantur in Licê behauptete sogar, die Operation und die Festnahmen hätten niemals stattgefunden.
Die Angehörigen haben die Suche niemals aufgegeben. Mehmetcan Ayşins Tochter Aynur Ayşin sagte auf der Kundgebung: „Seitdem mein Vater festgenommen und nach Licê gebracht wurde, also seit 28 Jahren, bin ich auf der Suche nach ihm. Mein Vater war unschuldig. Wir werden bis zum Tod weiter nach den Tätern suchen. Bis unsere Verschwundenen gefunden werden, wird unser Kampf weitergehen.“