Annähernd tausend Schutzsuchende nach Libyen zurückgeschleppt

Binnen drei Tagen wurden 935 Schutzsuchende von der sogenannten libyschen Küstenwache in das Bürgerkriegsland zurückgeschleppt. Internationale Organisationen kritisieren das Vorgehen scharf.

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) berichtet von 935 Schutzsuchenden, die in den ersten drei Novembertagen von der sogenannten libyschen Küstenwache auf dem Weg nach Europa abgefangen und nach Libyen zurückgeschickt worden sind. Internationale Organisationen kritisieren dieses Vorgehen scharf, da die Schutzsuchenden so „Missbrauch und Ausbeutung“ ausgesetzt würden. Obwohl es mittlerweile selbst für die deutsche Bundesregierung kein Geheimnis mehr ist, dass Schutzsuchende von der libyschen Küstenwache in Folterlager verschleppt, vergewaltigt, versklavt oder auch ermordet werden, wird diese weiter von der EU unterstützt und zur Abschottung und Abschreckung von Schutzsuchenden benutzt.

Von Sonntag bis Dienstag dieser Woche wurden insgesamt 935 Migranten, die versuchten, von Libyen aus das Mittelmeer in Richtung Europa zu überqueren, von der libyschen Küstenwache abgefangen und in das nordafrikanische Land zurückgebracht. Die Strecke von Libyen nach Italien ist etwa 300 Kilometer lang. Am Sonntag, dem 1. November, griff die EU-gesponserte Bürgerkriegsmiliz 144 Schutzsuchende auf, am nächsten Tag waren es 413 und am Dienstag weitere 378.

Hunderte von „Müttern, Vätern, Söhnen und Töchtern wurden in einen Kreislauf von Ausbeutung und Missbrauch zurückgebracht, vor dem sie zu fliehen versuchten“, sagte Safa Msehli von der UN auf Twitter. Sie erklärte außerdem: „Fast 1.000 Migrantinnen und Migranten wurden in den vergangenen drei Tagen abgefangen und nach Libyen zurückgebracht. Die meisten landen in Haft, wo die UNO schreckliche Zustände und schreckliche Misshandlungen dokumentiert hat. Wir bekräftigen, dass das System der willkürlichen Inhaftierung abgeschafft werden muss.“

Laut Msehli wurden die meisten Schutzsuchenden dann in libysche Haftanstalten überführt, wo „schreckliche Bedingungen“ von Missbrauch, Erpressung und Ausbeutung auf sie warten. Gegenüber InfoMigrants erklärte Msehli: „Die Menschen werden in die gleichen schrecklichen Bedingungen zurückgeworfen, vor denen sie zu fliehen versuchen.“

Seit Januar wurden nach Angaben der IOM rund 10.000 Menschen, die aus Libyen zu fliehen versuchten, von libyschen Milizen abgefangen und dorthin zurückgeschickt. Unter ihnen waren 692 Frauen und 556 Minderjährige. Im Vergleich dazu wurden im ganzen Jahr 2019 9.225 Personen abgefangen.

573 Todesopfer im zentralen Mittelmeer

Die registrierten Todesfälle auf der zentralen Mittelmeerroute zeigen derweil einen umgekehrten Trend: Während im vergangenen Jahr fast 1.000 Schutzsuchende ums Leben kamen, sind in diesem Jahr bisher 573 offiziell verstorben. Allerdings warnt die IOM, dass die tatsächliche Zahl der Todesopfer viel höher liegen könnte.

Erst letzte Woche sind mindestens elf Schutzsuchende, darunter eine schwangere Frau, vor der libyschen Küste ertrunken, als ihr Boot kenterte. Der Vorfall war der dritte dieser Art im Mittelmeer innerhalb einer Woche: Am 20. Oktober ertranken mindestens 15 Schutzsuchende, nachdem ihr Boot vor der libyschen Küste kenterte, und fünf Menschen starben am 22. Oktober, als ihr Boot in der Nähe der italienischen Insel Lampedusa kenterte. Auch verlagern Schutzsuchende ihre Fluchtrouten auf noch gefährliche Ausweichstrecken über den Atlantik. So meldete die IOM den Tod von 140 Schutzsuchenden am 29. Oktober auf der Route von Senegal zu den kanarischen Inseln.