Afghanistan: Taliban auf dem Vormarsch – Deutschland schiebt ab

Während der Krieg in Afghanistan weiter eskaliert und die Bundeswehr fast fluchtartig das Land verlässt, soll aus Hannover ein neuer Abschiebeflieger nach Afghanistan starten.

Am Dienstag soll in Hannover ein weiterer Abschiebeflieger mit Schutzsuchenden aus Afghanistan in das Bürgerkriegsland starten. Dass die Abschiebung trotz weiterer Eskalation in Afghanistan durchgeführt wird, ist Anlass zu breitem Protest. Die Taliban befinden sich schneller denn je auf dem Vormarsch, Teile der afghanischen Regierungstruppen desertieren bereits in Nachbarstaaten. Währenddessen verlassen internationale Truppen in Windeseile das Land. Dennoch scheint der Bundesregierung Afghanistan sicher genug zu sein.

AI: „Es gibt keine sichere Region in Afghanistan“

Dr. Julia Duchrow, Stellvertreterin des Generalsekretärs von Amnesty International in Deutschland, erklärt dazu: „Anders als das Bundesinnenministerium sowie einige Innenministerien der Länder behaupten, gibt es dort auch keine sicheren Regionen. Daher fordert Amnesty International erneut einen sofortigen Abschiebungsstopp.“

Jelpke: „Politik überbietet sich mit menschenverachtenden Forderungen“

Auch die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, äußert sich kritisch zur Abschiebung und erklärt: „Während die Bundeswehr nach 20 Jahren Afghanistan-Einsatz plötzlich ihre Soldaten gar nicht schnell genug abziehen konnte, startet heute erneut ein Abschiebeflieger aus Deutschland in das gefährlichste Land der Welt. Politiker und Politikerinnen überbieten sich angesichts dieser lebensgefährdenden Aktion gegenseitig mit menschenverachten Forderungen: Wenn es um Abschiebungen geht, plagiiert eine Franziska Giffey von der SPD auch gerne mal die Union, um im rechten Gewässer nach Wählerstimmen zu fischen. Weder nach Syrien, noch nach Afghanistan dürfen Menschen in existenzgefährdendes Elend und massive Gewalt abgeschoben werden!“

Absolut beschämend, dass Ortskräfte in Lebensgefahr schweben“

Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Evakuierung sogenannter Ortskräfte. Bei diesen handelt es sich zum Beispiel um Übersetzer:innen, die für die Bundeswehr tätig waren. Ihnen droht die Ermordung durch die vormarschierenden Taliban. Hierzu erklärt die Innenpolitikerin: „Die Bundesregierung hat Energie, einen Abschiebeflieger nach dem anderen zu füllen – aber dafür, die afghanischen Ortskräfte endlich zu evakuieren, reicht es dann nicht mehr. Es ist absolut beschämend, dass die afghanischen Ortskräfte weiterhin in größter Lebensgefahr schweben, während die Bundeswehr schon Zuhause ist.“

Kämpfe in Afghanistan so heftig wie schon lange nicht mehr“

Die Migrationsexpertin weist darauf hin: „Die Kämpfe zwischen Taliban und Regierungstruppen sind in Afghanistan so heftig wie schon lange nicht mehr – es ist an Zynismus nicht zu überbieten, angesichts dessen noch von vermeintlich sicheren Gebieten zu fantasieren. Abgeschobene sind in Afghanistan in besonderem Maße Verfolgung und Verelendung ausgesetzt. Die für heute geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan muss gestoppt werden!“

Global Peace Index: Afghanistan ist gefährlichstes Land der Welt

Der aktuelle Global Peace Index stellt fest, dass es sich bei Afghanistan um das gefährlichste Land der Welt handele. Obwohl Afghanistan diesen Platz seit drei Jahren unbestritten einnimmt, finden mittlerweile fast monatlich Sammelabschiebungen statt. Die UN-Mission UNAMA gab bekannt, dass von Januar bis März 570 Menschen bei Anschlägen, gezielten Tötungen und Überfällen bewaffneter Gruppen getötet und mehr als 1.200 verletzt wurden. In den vergangenen fünf Jahren wurden 1.077 Menschen aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben, 140 bereits in diesem Jahr.