71-jährige Kurdin wegen Terrorvorwürfen inhaftiert

Ein Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil gegen die Kurdin Fatma Güler bestätigt. Die 71-jährige Krebspatientin habe eine „Terrororganisation unterstützt” und soll für fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis.

Weil sie ihre Tierherde zur Weide in ein Gebiet geführt hat, in dem die türkische Armee eine Militäroperation gegen die Guerilla durchführte, wurde die 71-jährige Kurdin Fatma Güler wegen „Unterstützung einer Terrororganisation” zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ein Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil vergangene Woche bestätigt. Die Krebspatientin wurde daraufhin während eines Besuchs bei ihrer Tochter in der türkischen Küstenstadt Didim (Provinz Aydin) von Antiterror-Einheiten verhaftet und in das Typ-E-Gefängnis in Aydin überstellt. Ihre Kinder sind besorgt um den Gesundheitszustand von Fatma Güler und haben sich im nahegelegenen Izmir an den Menschenrechtsverein IHD gewandt.

Was war geschehen?

Fatma Güler lebt eigentlich in Xozat (Hozat) im nordkurdischen Dersim. Im Mai 2012 führte sie wie fast jeden Tag ihre Tierherde zur Weide in das nahegelegene Çet-Tal. Auf dem Weg dorthin hatte sie eigenen Angaben nach eine Begegnung mit einem hochrangigen Offizier der türkischen Armee. Dieser habe ihr gesagt, dass sie ihre Tiere von der Weide holen soll, da es jeden Augenblick zu Gefechten kommen könne. Als sie daraufhin versuchte, das Vieh zusammen zu treiben, seien die Tiere aufgeschreckt und in Panik weggerannt. In der Not habe Fatma Güler noch einen Teil ihrer Herde ins Dorf führen können. Einige Minuten später seien bereits Gefechte ausgebrochen.

Urteilsbestätigung nicht zugestellt

Wenige Tage später wurde die betagte Frau von der Jandarma aufgefordert, eine Aussage zu dem Vorfall zu machen. Sie sei gefragt worden, was sie am besagten Tag gesehen habe. Ihre Antwort lautete demnach: „Ich habe getan, was mir gesagt wurde. Gesehen habe ich nichts“. Trotz dessen leiteten die türkischen Behörden Ermittlungen gegen Fatma Güler ein. Dem erstinstanzlichen Urteil über fünf Jahre und drei Monate Gefängnis wurde widersprochen. Dass das Berufungsgericht das gegen seine Mutter verhängte Urteil bestätigt hat, wusste man bis zur Verhaftung von Fatma Güler allerdings gar nicht, sagt der Sohn Bülent Güler. Das Urteil sei nicht zugestellt worden. Bülent Güler hatte nach der Überstellung der 71-Jährigen in die Haftanstalt am 31. Oktober eine ganze Woche vor dem Gefängnis ausgeharrt, um seine kranke Mutter zu besuchen. Fatma Güler leidet an Magenkrebs. Zwei Mal wurde sie bereits operiert, außerdem ist sie Asthma-Patientin, leidet an Bluthochdruck und an einer Funktionsstörung der Leber.

Ob seine Mutter ihre lebenswichtigen Medikamente erhält, weiß Bülent Güler nicht. Bei dem Besuch im Gefängnis habe sie lediglich sagen können, dass es ihr nicht gut gehe. „Sie sagte, dass es ihr sehr schlecht geht. Die Zellen seien kalt, sie friere und bekäme nur eine Decke. Für einen Menschen in ihrem Zustand ist eine Decke einfach zu wenig. Meine Mutter hat niemandem etwas getan. Sie ist zu Unrecht verurteilt worden. Ich fordere die Behörden auf, meine Mutter freizulassen“.