Militärbelagerung: Dörfer in Şirnex werden entvölkert

In der nordkurdischen Provinz Şirnex werden Dörfer seit Monaten von der türkischen Armee belagert. Den Menschen werden durch die Militärbelagerung ihre Lebensgrundlagen genommen, sie müssen die Dörfer zwangsläufig verlassen.

Die Militärbelagerung kurdischer Dörfer in der Provinz Şirnex (tr. Şırnak) durch die türkische Armee führt zur Abwanderung der Bevölkerung. In Bilbês im Landkreis Elkê (Beytüşşebap) sind im Zuge von Militäroperationen seit Juli mehrfach Ausgangssperren durch das Gouverneursamt erlassen worden. Die Häuser in dem Dorf wurden von der Armee gestürmt, es kam zu mehreren Festnahmen. Die Umgebung wurde aus der Luft bombardiert und unter Artilleriebeschuss gesetzt. Auch nach Aufhebung der Ausgangssperre wurde die Militärbelagerung nicht beendet. Die Menschen im Dorf wurden daran gehindert, ihre Tiere und Felder zu versorgen.

Die Dorfbewohner:innen sagen, dass sie durch die Militärbelagerung vertrieben werden. Eine aus Sicherheitsgründen anonym gehaltene Person erklärte gegenüber MA zur aktuellen Situation: „In der Umgebung ist das Militär nach wie vor präsent. Die Soldaten kommen zu beliebigen Zeiten ins Dorf und durchsuchen die Häuser. Außerhalb der Häuser ist alles verboten. Uns wurde nicht erlaubt, Heu für das Vieh einzubringen. Deshalb haben viele von uns ihre Tiere bereits verkauft, andere tun es jetzt. Wer kein Vieh mehr hat, muss das Dorf verlassen. Die Menschen werden vertrieben und das Dorf entvölkert. Von dreißig Häusern sind momentan noch zwanzig bewohnt. Im Winter haben früher nur fünf oder sechs Familien im Dorf gelebt, auch diese Familien werden nicht länger bleiben.“

Lebensgrundlagen in Bana zerstört

Auch das Dorf Bana (Ormaniçi) im Landkreis Basa (Güçlükonak) steht seit Ende Juli unter Militärbelagerung. In dem Dorf gelten Sonderregeln, seit es in der Umgebung zu Gefechten zwischen der kurdischen Guerilla und dem Militär kam. Mehrfach wurde Bana seither von der türkischen Luftwaffe bombardiert. Mitte September kam der Guerillakämpfer Rênas Tolhildan in dem Ort ums Leben. Für die Menschen in Bana sind die Folgen der Belagerung verheerend: Vieh kann nicht geweidet, Land nicht bestellt und Gärten nicht bewässert werden – zusätzlich zu einer massiven Einschränkung im Alltagsleben. Die Kinder des Dorfes konnten lange Zeit nicht zur Schule gehen.

Zur aktuellen Lage berichtet ein Anwohner: „Unser Dorf wird seit drei Monaten von der Armee belagert. Um in unsere Gärten zu gehen, brauchen wir eine Erlaubnis. Während der Ausgangssperre sind unsere Reisfelder von Wildschweinen zerstört worden. Jetzt können wir mit Genehmigung auf die Felder gehen, aber es ist inzwischen zu spät.“

Entvölkerung durch Entrechtung und Militärgewalt

Bana ist wie Tausende weitere Dörfer bereits in den 1990er Jahren vom türkischen Staat niedergebrannt und entvölkert worden. Auch in den vergangenen Jahren kam es wiederholt zu monatelangen Militärbelagerungen. In der Provinz Şirnex sind Ende August 14 Regionen zu Sperrgebieten erklärt worden. Die Zivilbevölkerung darf die Gebiete weder betreten noch ihre Dörfer in den betroffenen Gebieten verlassen. Die Schaffung dieser „Sondersicherheitszonen“ ist Teil einer größeren Entwicklung, bei der militärische Sperrgebiete in verschiedenen Teilen von Nordkurdistan eingerichtet werden. Dadurch werden ganze Landstriche von der Außenwelt abgeschnitten und unterliegen der Kontrolle und Willkür des Militärs. Diese Maßnahmen führen zu einer erheblichen Belastung für die kurdische Landbevölkerung und erhöhen den Druck auf die Bewohnerinnen und Bewohner, die betroffenen Gebiete zu verlassen.